Todesbote
alter Sack. Das musst du aber wiedergutmachen. Du hast unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.«
26
In den Schweizer Alpen. Horst Werner saà in einem Sessel in seiner Bibliothek. Flammen loderten im Kamin, und LED-Lampen beleuchteten das zwei Meter vierzig lange Modell der Bismarck, das er selbst gebaut hatte. Die fensterlose Bibliothek war rundum vollgestellt mit Bücherregalen, hinter der Kirschholzverkleidung befand sich eine sieben Zentimeter dicke, mit Blei verstärkte Stahlwand.
Horsts Sicherheitsraum war mit der Welt über ein ausgeklügeltes Internetsystem verbunden, das ihm das Gefühl gab, seine Kammer wäre der Mittelpunkt des Universums.
Die zwölf Mitglieder der Allianz hatten sich im verschlüsselten Netz angemeldet. Sie sprachen mehr oder weniger gut Englisch, und ihre Webcam-Bilder wurden auf seinem Bildschirm angezeigt. Nach der BegrüÃung kam Horst umgehend zum Grund für diese Konferenz.
»Ein amerikanischer Freund hat Jan einen vergnüglichen Film geschickt. Ich bin sehr an euren Reaktionen interessiert.«
WeiÃes Licht erfüllte die Bildschirme der zwölf verbundenen Rechner, bis eine Badewanne in Form eines Whirlpools erschien. In der Wanne lag ein Mädchen mit langem, schwarzem Haar und dunkler Haut in etwa zehn Zentimeter hohem Wasser auf dem Bauch. Hand- und FuÃgelenke waren auf dem Rücken aneinandergefesselt, das Seil war um ihre Kehle geschlungen.
Das Video zeigte auch einen Mann von hinten. »Das ist
ja Henri«, rief eines der Allianzmitglieder, als dieser sich halb der Kamera zuwandte.
Henri saà nackt auf dem Rand der Badewanne, die durchsichtige Kunststoffmaske verdeckte seine Gesichtszüge. »Ihr seht, in der Wanne ist nur wenig Wasser, aber es reicht«, sprach er in die Kamera. »Ich weià nicht, welchen Tod Rosa finden wird â wird sie ertrinken oder sich erwürgen? Wir werden sehen.«
Henri redete zu dem schluchzenden Mädchen, dann übersetzte er: »Ich habe Rosa gesagt, sie solle ihre Beine hinten angewinkelt lassen. Ich habe gesagt, wenn sie es noch eine Stunde durchhält, würde ich sie am Leben lassen. Vielleicht.«
Horst lächelte über Henris Dreistigkeit, über die Art, wie er dem Mädchen über den Hinterkopf streichelte, sie trösten wollte. Doch sie schrie nur, was sie groÃe Kraft kosten musste, nachdem sie bereits durch ihren Ãberlebenskampf erschöpft war.
»Por favor. Dejame marchar. Eres malvado. «
»Sie sagt, ich solle sie freilassen«, übersetzte Henri. »Ich sei böse. Nun ja. Ich liebe sie trotzdem. Ein süÃes Kind.«
Das Mädchen schluchzte weiter, schnappte jedes Mal nach Luft, wenn sich ihre Beine entspannten und sich das Seil um ihren Hals zuzog. Sie rief ein letztes Mal nach ihrer Mama und lieà ihren Kopf nach vorn fallen. Die Blasen ihres letzten Atemzugs stiegen an die Wasseroberfläche.
Henri berührte das Mädchen seitlich am Hals. »Es war das Seil«, stellte er fest. »Jedenfalls hat sie Selbstmord begangen. Eine schöne Tragödie. Genau, was ich versprochen habe.«
Er lächelte, als die Aufnahme ausgeblendet wurde.
»Horst«, meldete sich Gina entrüstet zu Wort, »damit hat er doch seinen Vertrag gebrochen, oder?«
»Eigentlich heiÃt es in Henris Vertrag nur, dass er keiner Arbeit nachgehen darf, die ihn daran hindert, seine Verpflichtung uns gegenüber zu erfüllen.«
»Aha. Dann hat er also technisch gesehen keinen Vertragsbruch begangen. Er betätigt sich freiberuflich.«
»Ja«, ertönte Jans Stimme über die Lautsprecher. »Seht ihr, wie Henri nach einer Möglichkeit sucht, uns den Stinkefinger zu zeigen? Das ist inakzeptabel.«
»Okay, Henri ist schwierig, aber wir müssen zugeben, dass er auch genial ist«, kam ihm Raphael zu Hilfe. »Wir sollten weiter mit ihm arbeiten. Ihm einen neuen Vertrag geben.«
»Und in diesem Vertrag soll was stehen?« »Henri hat für uns Kurzfilme gedreht wie den, den wir gerade gesehen haben. Ich schlage vor, wir lassen ihn... einen Dokumentarfilm machen.«
»Sehr gut, Rafi«, unterstützte ihn Jan aufgeregt. »Wand an Wand mit Henri. Vielleicht ein Jahr in seinem Leben? Gehalt und Boni entsprechend der Qualität der Handlung.«
»Genau. Und er arbeitet exklusiv für uns«, fuhr Raphael fort. »Er beginnt sofort vor Ort mit den Eltern des Bikinimädchens.«
Die
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