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Todesbote

Titel: Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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mussten Sie die McDaniels töten, Henri?«, fragte ich schließlich.
    Â»Sie waren Teil einer Filmreihe, die ich für die Spanner umsetzte. Wir nannten sie Dokumentarfilme. Maui hat sich finanziell mehr als gelohnt. In fünf Arbeitstagen habe ich mehr verdient als Sie in einem Jahr.«
    Â»Aber die Arbeit selbst, wie ging es Ihnen damit, dass Sie all diese Menschenleben ausgelöscht haben? Wenn ich richtig gezählt habe, haben Sie dreißig Leute getötet.«
    Â»Vielleicht habe ich ein paar ausgelassen«, sagte er nur.

90
    Um drei Uhr morgens erzählte mir Henri, was ihn an seiner Arbeit am meisten faszinierte.
    Â»Ich fand den fließenden Übergang zwischen Leben und Tod immer schon interessant«, erklärte er. Ich dachte an die kopflosen Hühner aus seiner Kindheit, an die Erstickungsspielchen, an denen er sich nach dem Mord an Molly ergötzt hatte.
    Henri erzählte mir mehr, als ich wissen wollte.
    Â»Es gab einen Stamm am Amazonas«, fuhr er fort. »Dort band man den Opfern eine Schlinge um den Hals gleich unterhalb der Ohren. Das andere Ende des Seils wurde an der Spitze eines umgebogenen Schösslings befestigt.
    Wenn dem Opfer der Kopf abgehackt wurde, wurde dieser durch die zurückschnellende Baumspitze nach oben geschleudert. Die Indianer hielten dies für einen guten Tod, weil sie dachten, die Toten hätten im letzten Moment das Gefühl zu fliegen.
    Kennen Sie den Mörder, der Anfang des neunzehnten Jahrhunderts in Deutschland gelebt hat?«, fragte Henri. »Peter Kürten, ›der Vampir von Düsseldorf‹.«
    Ich hatte noch nie von diesem Mann gehört.
    Â»Er sah ganz normal aus. Sein erster Mord war der an einem kleinen Mädchen, das er schlafend vorfand, als er die Wohnung ihrer Eltern ausraubte. Er erwürgte sie, öffnete ihre Kehle mit einem Messer und onanierte auf das Blut, das aus ihren Adern spritzte. Dies war der Anfang einer Karriere, die Jack the Ripper wie einen Amateur aussehen lässt.«

    Henri beschrieb, wie Kürten tötete, Menschen beiderlei Geschlechts, Männer, Frauen und Kinder, so viele, dass man sie nicht mehr zählen konnte. Dabei verwendete er alle Arten von Instrumenten, doch im Grunde genommen war es das Blut, das ihn anmachte.
    Â»Bevor Peter Kürten mit der Guillotine hingerichtet wurde, fragte er den Gefängnispsychiater... Moment, wie war das? Okay. Kürten fragte, wie es wäre, nachdem man ihm den Kopf abgehackt hätte« – Henri zeichnete mit seinen Fingern Gänsefüßchen in die Luft – »›Werde ich hören können, wie mein eigenes Blut aus meinem Halsstumpf sprudelt? Dieses Vergnügen wäre unübertrefflich.‹«
    Â»Henri, Sie sagen also, der Moment zwischen Leben und Tod ist das, was Ihren Drang zu töten antreibt?«
    Â»Ich glaube, ja. Vor etwa drei Jahren tötete ich ein Paar in Big Sur. Ich band Schlingen unter ihr Kinn.« Er legte Daumen und Zeigefinger an seinen Hals, die er zu einem V spreizte. »Das andere Ende band ich an die Rotorblätter eines Deckenventilators. Ich hackte ihnen die Köpfe mit einer Machete ab, und der Ventilator drehte sich mit den an den Seilen hängenden Köpfen.
    Ich glaube, die Spanner wussten, dass ich sehr speziell veranlagt bin, als sie diesen Film sahen. Ich erhöhte meine Gage, und sie bezahlten. Aber noch immer frage ich mich, ob dieses Paar spürte, dass sie im Moment ihres Todes flogen.«

91
    Die Erschöpfung übermannte mich, als die Sonne aufging. Wir hatten sechsunddreißig Stunden ohne Pause gearbeitet, und obwohl ich meinen Kaffee mit viel Zucker bis zum Bodensatz trank, konnte ich meine Augen nicht mehr aufhalten, vor denen die kleine Welt des Wohnwagens inmitten der Wüste verwischte.
    Â»Das ist wichtig, Henri«, sagte ich.
    Ich verlor den Faden, vergaß, was ich hatte sagen wollen. Henri schüttelte mich an der Schulter. »Beenden Sie Ihren Satz, Ben. Was ist wichtig?«
    Es war die Frage, die der Leser am Anfang des Buches stellen würde und die am Ende beantwortet sein musste: »Warum möchten Sie dieses Buch schreiben?«
    Dann legte ich meinen Kopf nur für eine Minute auf den kleinen Tisch.
    Ich hörte, wie Henri im Wohnwagen umherging, und dachte, er würde die Oberflächen abwischen. Ich hörte ihn reden, war mir aber nicht sicher, ob er mit mir redete.
    Als ich wieder aufwachte, war es auf der Uhr am

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