Todesbote
ihn vielleicht beiseiteschaffen«, erklärte Henri, während er das Weinglas ausspülte. »Damit wären Sie Zeuge eines Mordes, Ben. Das bekäme Ihnen nicht gut.«
Ich zwängte mich in das winzige Badezimmer und betrachtete mein Gesicht im Spiegel, bevor ich das Licht ausschaltete. Mit meinem Dreitagebart und dem verknitterten Hemd sah ich wie ein Gammler aus.
Die Wand war so dünn, dass ich alles hören konnte, was drauÃen passierte. Jemand klopfte an die Wohnwagentür. Nachdem Henri sie geöffnet hatte, stapfte dieser Jemand mit schweren Schritten die Stufen hinauf.
»Kommen Sie herein, Officer. Ich bin Bruder Michael«, stellte sich Henri vor.
»Ich bin Lieutenant Brooks«, erwiderte eine strenge Frauenstimme. »Parkaufsicht. Dieser Campingplatz ist geschlossen, Sir. Haben Sie nicht die StraÃensperre und das riesengroÃe âºBetreten verbotenâ¹-Schild gesehen?«
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Henri. »Ich wollte beten, ohne gestört zu werden. Ich komme aus dem Kloster Camaldolese. In Big Sur. Ich nutze diese Abgeschiedenheit für meine Exerzitien.«
»Es wäre mir auch egal, wenn Sie ein Akrobat des Cirque de Soleil wären. Sie haben hier nichts zu suchen.«
»Gott hat mich hierher geführt«, wandte Henri ein. »Ihn suche ich hier. Aber ich wollte niemandem schaden. Es tut mir leid.«
Ich spürte die Spannung drauÃen vor meiner Tür. Wenn die Parkaufseherin über Funk Hilfe anforderte, war sie eine tote Frau.
Vor Jahren war ich mit meinem Streifenwagen rückwärts auf einen Rollstuhl mit einem alten Mann gefahren. Ein andermal hatte ich auf ein kleines Kind gezielt, das zwischen zwei Autos herausgesprungen war und eine Wasserpistole auf mich gerichtet hatte.
Beide Male hatte ich gedacht, mein Herz könnte nicht heftiger schlagen, doch, ehrlich gesagt, hier im Wohnwagen übertraf mein Herz auch noch meine dramatischsten Vorstellungen.
Die Aufseherin würde es hören, wenn meine Gürtelschnalle gegen das Metallwaschbecken schlug. Würde sie mich entdecken, könnte Henri die Notwendigkeit sehen, sie zu töten.
Und dann mich.
Ich betete, dass ich nicht niesen musste. Ich betete wirklich.
88
Die Parkaufseherin sagte, sie verstehe es, wenn sich jemand in die Wüste zurückziehen wolle, aber der Campingplatz sei nicht sicher.
»Wenn der Hubschrauberpilot Ihren Wohnwagen nicht gesehen hätte, wäre man nicht auf die Idee gekommen, Kontrollen rauszuschicken. Was ist, wenn Ihnen das Benzin ausgeht? Oder das Trinkwasser? Niemand würde Sie finden, und Sie würden sterben«, erklärte Lieutenant Brooks. »Ich warte, bis Sie Ihre Sachen zusammengepackt haben.«
Ein Funkgerät knackte. »Ich habe ihn, Yusef«, beruhigte sie den Mann am anderen Ende.
Ich wartete auf den unvermeidlichen Schuss, dachte daran, wie ich die Tür aufstoÃen und versuchen würde, Henri die Waffe aus der Hand zu schlagen und die arme Polizistin irgendwie zu retten.
»Er ist ein Mönch«, sagte die Aufseherin zu ihrem Partner. »Ein Einsiedler. Ja. Er ist allein. Nein, alles unter Kontrolle.«
»Lieutenant«, schaltete sich Henri ein, »es wird spät. Ich kann problemlos morgen früh aufbrechen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn ich noch eine Nacht hierbleiben könnte, um zu meditieren.«
In der darauffolgenden Stille schien die Parkaufseherin Henris Bitte abzuwägen. Ich atmete langsam aus und langsam wieder ein. Fräulein, tu, was er dir sagt, flehte ich innerlich. Verschwinde von hier.
»Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte sie schlieÃlich.
»Klar können Sie. Eine Nacht ist alles, worum ich Sie bitte.«
»Haben Sie genug Benzin?«
»Ja. Ich habe getankt, bevor ich in den Park gefahren bin.«
»Und Sie haben genug Wasser?«
Henri öffnete die quietschende Kühlschranktür.
»Morgen früh sind Sie hier weg«, räumte die Parkaufseherin ein. »Kann ich mich darauf verlassen?«
»Können Sie«, beruhigte Henri sie. »Tut mir leid wegen der Unannehmlichkeiten.«
»Okay. Eine gute Nacht, Bruder.«
»Danke, Lieutenant. Gott schütze sie.«
Der Motor des Wagens der Parkaufsicht wurde gestartet. Eine Minute später öffnete Henri die Badezimmertür.
»Der Plan hat sich geändert«, klärte er mich auf, als ich mich durch die Tür nach drauÃen zwängte. »Ich
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