Todesbraeute
selbst, dass ihm ihre Meinung von ihm etwas bedeutete. Er durfte ihr nicht von Kate, nichts von seinen Taten erzählen.
Also hielt er ihr stattdessen die Zeitung hin. »Rhett ist tot.«
Seine Frau zog bebend die Luft ein. »Das tut mir leid.« Und das war keine Heuchelei. Sie war eine anständige Person. Aber weder hatte sie Rhett gemocht noch seine »Freundschaft« mit ihm verstanden. Ha. Von wegen Freundschaft. Es hatte sich eher um eine Interessengemeinschaft gehandelt. Schließe deine Feinde ins Herz, dann spürst du, wann sie dich verraten wollen. Ein wertvoller Rat, den sein Vater ihm vor langer, langer Zeit einmal gegeben hatte. Sein Vater hatte seine politischen Feinde gemeint. Aber der Rat war nichtsdestoweniger gültig. »Er ... ähm ... ist von der Straße abgekommen.«
Sie hielt ihm die Tür ein wenig auf. »Dann komm rein.« Er trat über die Schwelle und musterte ihr Gesicht. Sie war ihm eine gute Frau, und er wollte ihr nicht weh tun. Leider hatte er sich nie zurückhalten können, obwohl ihm seine Affären nichts bedeutet hatten - keine einzige, bis auf die letzte.
Diese letzte bereitete ihm noch immer ein schlechtes Gewissen. Normalerweise wollte er von Frauen nur Sex. Von Bailey Crighton hatte er Informationen gewollt. Sie hatte sich seit der Geburt ihrer Tochter verändert. Nun war sie nicht mehr die Dorfschlampe, die sie früher einmal gewesen war.
Und sie hatte geglaubt, sie bedeute ihm etwas, und in gewisser Hinsicht hatte sie das auch. Bailey hatte so sehr versucht, für sich und Hope ein neues Leben aufzubauen, und nun war sie fort. Er wusste, wo sie war und wer sie versteckte. Aber er konnte ihr genauso wenig helfen, wie er den anderen Frauen helfen konnte, die der Täter aufs Korn genommen hatte.
»Ich mache dir Eier, während du dich duschst und umziehst«, sagte seine Frau ruhig.
»Danke«, erwiderte er, und ihre Augen weiteten sich. Wahrscheinlich hatte er das in seinem Leben viel zu selten gesagt. Aber in Anbetracht seiner langen Liste von Schandtaten schien ihm Unhöflichkeit eine lässliche Sünde zu sein. Es war wohl sinnvoller, sich wegen Vergewaltigungen zu schämen. Oder für zukünftige Morde, die er verhindern könnte, wenn er nur genügend Mumm beweisen würde.
Atlanta, Mittwoch, 31. Januar, 8.45 Uhr
Daniel ließ sich auf einen Stuhl am Konferenztisch fallen und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Er hatte noch nicht einmal Zeit gehabt, sich zu rasieren. Dank Luke hatte er sich wenigstens umziehen können. Luke hatte behauptet, das sei Mama Papadopoulos zu verdanken, die ihn am Abend zuvor etwa jede Stunde angerufen hatte, weil sie sich »solche Sorgen um den armen Daniel« gemacht hatte. Luke hatte ihm also auf dem Weg ins Büro einen frischen Anzug vorbeigebracht. Lukes Gesicht war müde und hager gewesen, und Daniel wusste, dass sein Freund eigene Sorgen hatte. Daniel mochte gar nicht daran denken, mit welchen entsetzlichen Bildern sich Luke tagtäglich bei seinen Ermittlungen gegen Kinderpornographie im Netz beschäftigen musste.
Daniels Gedanken wanderten zu Alex. Sie war noch ein Kind gewesen, als sich Wade den Übergriff geleistet hatte, und es musste sie schwer schockiert haben, ob sie es nun zugab oder nicht. Erneut flammte ein heilloser Zorn in ihm auf, und er war froh, dass Wade Crighton bereits tot war. Schweine wie Wade und die Verbrecher, die Luke jagte, taten ihren Opfern weit mehr als nur körperlichen Schaden an. Sie nahmen ihnen ihr Vertrauen in die Welt, ihre Unschuld.
Daniel musste unwillkürlich daran denken, wie Alex in der Nacht zuvor ausgesehen hatte - so verletzlich und zart. Er schauderte. Sie zu lieben hatte sein Inneres zutiefst bewegt. Der Gedanke, sie verlieren zu können, machte ihm eine ungeheure Angst, wie er sie noch nie gekannt hatte. Er musste diesem Irrsinn ein Ende bereiten. Und zwar schnell. Also, an die Arbeit, Vartanian.
Chase, Ed, Hatton und Koenig kamen gleichzeitig herein und setzten sich zu ihm. Alle hatten Kaffee dabei, alle blickten ernst.
»Hier«, sagte Chase und schob ihm einen Becher hin. »Er ist frisch und stark.«
Daniel nahm einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. Stark, allerdings. »Das Opfer Nummer drei ist Gemma Martin, einundzwanzig Jahre alt. Wie die anderen beiden wuchs sie in Dutton auf und machte im selben Jahrgang ihren Abschluss an der Bryson Academy. Gemma wohnte bei ihrer Großmutter, die sich Sorgen gemacht hat, als sie zum Frühstück nicht zu Hause war. Sie hat
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