Todesbraut
Geschenke gemacht?«
Er blickte verwundert auf. »Geschenke?«
»Sie hat ein ziemlich teures Handy, eine Chanel-Tasche, drei Kostüme von Escada, Jil Sander und noch so einem Nobelschneider. Ich kenne mich da nicht so gut aus, aber dass der Kaufpreis Shirins Gehalt als Kellnerin bei Weitem übersteigt, da bin ich mir sicher. Und von ihrem Mann hat sie nichts dergleichen bekommen.«
Wasmuth schüttelte den Kopf. »Ich habe ihr mal einen Strauß Blumen mitgebracht, eine Tafel Schokolade für die Kinder … aber doch nicht so etwas!«
»Woher hat sie es dann?«
»Vielleicht vom Erzeuger ihres Kindes … Ich habe keine Ahnung!«
»Herr Wasmuth, haben Sie Shirin Talabani geliebt?«
Er blickte auf, ehrlich erstaunt, als hielte er diese Möglichkeit für absolut abwegig. »Wie bitte? Liebe?«
Das konnte alles und nichts bedeuten. Eher nichts.
Eine Frau trat aus dem Klassenraum und lächelte schüchtern »Entschuldigung …?«
Wasmuth wischte sich mit dem Cordärmel die letzten Tränen aus dem Gesicht und fand sein salbungsvolles Lächeln wieder. »Derya, was gibt’s?«
»Die Stunde ist vorbei, mein Mann wartet schon auf dem Flur.« Man merkte der erwachsenen Schülerin an, wie sehr sie bemüht war, Grammatik und Aussprache fehlerlos zu gestalten.
Der Lehrer erhob sich. »Ich muss zurück, Sie sehen ja selbst …«
»Eine Frage noch, Herr Wasmuth«, hielt Wencke ihn auf. »Sie haben das letzte Mal zwei Tage vor ihrem Tod mit Shirin gesprochen. Was ist da passiert? Gab es Streit?«
Kraftlos hob er die Schultern. »Streit? Nein, so würde ich es nicht nennen …«
»Sondern?«
»Sie … sie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Nie wieder. Endgültig, hat sie gesagt.«
»Und warum?«
»Wenn ich das bloß wüsste …«
Wencke und Axel ließen ihn gehen. Er schlurfte über den traurigen Rasen, als habe ihm jemand Blei in die Schuhsohlen gesteckt.
»Glaubst du ihm?«, fragte Axel.
»Jein. Aus seiner Sicht erzählt er uns vielleicht die Wahrheit. Nur bezweifle ich, dass seine Sicht für unsere Zwecke objektiv genug ist.« Eine versteckte Gartenpforte führte direkt auf die Straße, sie konnten sich also eine weitere Begegnung mit der aufgeregten Sekretärin ersparen. Doch schon durch die dichten Blätter des Kirschlorbeers konnte Wencke einen Mann auf dem schräg gegenüberliegenden Parkplatz ausmachen, der mit den Händen in den Hosentaschen neben einem vereinsamten Zigarettenautomaten lungerte und zum Haupteingang der Moschee schielte. Nein, es war weder Moah Talabani noch der Springmesser-Typ. Dieser hier schien um die dreißig zu sein, hatte buttergelbe Haarsträhnchen und sah sehr ungesund aus. Offensichtlich kein Türke. Aber die pseudogeheimnisvolle Art, ganz zufällig herumzustehen, war schablonengleich. Der Strähnchenkopf spuckte ein Kaugummi auf den Bürgersteig und schaute dabei in Wenckes Richtung. Vor Schreck misslang sein Manöver und der weiße Klecks landete auf dem Schuh. Er sagte etwas, Wencke konnte nur die Lippenbewegung sehen, aber sie wettete, er hatte soeben Scheiße gesagt, in welcher Sprache auch immer.
»Was ist das denn für ein Clown?«, flüsterte Axel.
»Mein neuer Schatten.«
»Seit wann leidest du denn unter Verfolgungswahn?«
Wencke ignorierte Axels Kommentar und ging schnurgeradeauf den Unbekannten los. Dieses Mal würde sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Das hier war kein Spiel und sie hatte nicht die geringste Lust, in den nächsten Tagen oder Wochen an jeder Ecke beobachtet zu werden. Wer immer sich dafür interessierte, wo sie war und mit wem sie sprach, sie würde ihm den Spaß daran gründlich verderben.
Der Parkplatz war bis auf den kleinsten Winkel mit Pendlerwagen vollgestellt, trotzdem waren noch weitere Autofahrer damit beschäftigt, sich in eine der wenigen engen Lücken zu quetschen, sie manövrierten vorwärts und rückwärts und waren sichtlich genervt. Ein Lieferwagen versperrte zudem die Sicht zum Zigarettenautomaten. Wencke gab dem Fahrer ein Zeichen und lief quer über die Straße; ein Hupen und das obligatorische Tippen an die Stirn waren seine Antwort. Erst das Bremsenquietschen machte Wencke darauf aufmerksam, dass sie sehr knapp vor einem schrottreifen Kleinwagen zum Stehen gekommen war. Spätestens jetzt musste der Kerl auf sie aufmerksam geworden sein.
»Willst du dich umbringen?«, schrie Axel von hinten. Sie drehte sich nicht um. Zwei Radfahrer, die eilig unterwegs waren, mussten große Bögen fahren, um
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