Todesbraut
Missverständnis.
Als sie zum Fußballspiel ging, was sie sonst nie tat, und die Blicke dieser fremden Frau auffing wie einen Ball, der versehentlich ins Aus geschossen worden war – und seinen Schrecken dazu –, kam sie sich wie eine Schnüfflerin vor.
Als dann kein Geld mehr da war für die neue Spülmaschine und sie dazuverdienen musste, nach all den Jahren zu Hause – und dann kommt ein Brief von einer Autovermietung, ein Foto von ihrem Mann im Sportwagen, in dem er mit 30 km/h zu viel auf der Strecke zwischen Wunstorf und Seelze geblitzt worden war – ist sie wütend geworden.
Wozu ein Porsche, hat sie gefragt. Ich spüle seit Wochen von Hand und du leihst dir einen Porsche, mit dem du in der Gegend herumrast wie ein James Dean für Arme. Warum? Die dürftige Antwort reichte ihr nach drei durchwachten Nächten dann doch: Ein Mann braucht auch mal seinen Spaß.
Doch seit zwei Tagen ist es so schmerzhaft offensichtlich, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, irgendetwas schönzureden.
Die Quittung steckte miserabel versteckt in seinem Sakko. Eine Übernachtung im
Sheraton Pelikan
. Zwei Personen. Barzahlung – auch die Flasche Champagner, die der Zimmerservice gebracht hat. Laut Kassenbon um 12 Uhr mittags. Es gibt nur eine Gelegenheit, bei der man tagsüber in Luxushotels Champagner trinkt.
Zum selben Zeitpunkt – sie erinnerte sich genau an den Tag Anfang Juni – hatte sie gerade bei ihrer Tochter am Krankenbett gesessen, weil sie den Blinddarm herausbekommen hatte. Nein, dein Papa kann nicht kommen. Er muss arbeiten, das weißt du doch.
Und in Wirklichkeit hat er wahrscheinlich gerade Schaumwein aus dem Nabel seiner Geliebten geschlürft.
Diese Erkenntnis trifft sie mit der Wucht einer Abrissbirne. Sie hat aus ihr etwas herausgebrochen, von dem sie keine Ahnung hatte, dass es in ihr schlummerte. Unbändige Wut. Ungezähmte Aggressionen. Unverfälschter Zorn.
Am liebsten hätte sie die Welt zertrümmert, mit einem Hieb, es kommt ihr vor, als könne sie das. Zerschmettern, alles, einfach so.
Er ist ein Schwein.
Sie muss gehen. Es hat einfach keinen Zweck mehr.
Er wird sich nicht ändern. Niemals.
Ich werde nicht erlauben, dass du mich verlässt – wie oft hat er schon so gedroht?
Dabei hat sie nicht vor, ihn mit Dreck zu bewerfen. Sie will ihm nichts wegnehmen, auch nicht das Kind, das kann man doch alles regeln. Vielleicht liebt sie ihn sogar noch. Vielleicht gibt es sogar noch eine Chance.
Nur so will sie einfach nicht mehr weitermachen. Sich nicht mehr verletzen lassen. Immer wieder.
Gleich ist das Training vorbei. Bis dahin muss sie weg sein. Sonst wird er sie daran hindern. Notfalls mit Gewalt.
13.
Alles hatte Wencke erwartet. Aber nicht das:
Karsten Völker saß auf der Schaukel im Garten und heulte. Er hatte sämtliche Lichter angeknipst, zwei Fackeln brannten neben der Terrasse, eine Laternenkette verbreitete Kindergeburtstagscharme, nur war niemand da, um Spaß zu haben. Der Polizeioberkommissar kauerte mutterseelenallein auf dem Spielgerät, dessen Scharniere jaulten wie eine Katze, und weinte sich die Augen aus dem Kopf.
Das rettete ihn davor, von Wencke direkt an der Gurgel gepackt zu werden. Die Wut und die Verzweiflung hatten sich in ihrem Magen zu einem konzentrierten Knoten verfestigt, der Wencke handlungsunfähig machte. Sie hatte irgendwie gehofft, er würde sich lösen, sobald sie diesem Karsten Völker ins Gesicht schreien konnte. Er musste ihr unverzüglich sagen, wo Emil steckte, jetzt, um diese Uhrzeit, es ging immerhin schonauf Mitternacht zu, und Wencke verlor gleich vor Sorgen den Verstand. Ihre einzige Hoffnung war gewesen, dieses korrupte Arschloch so lange anzubrüllen, bis er alles erzählte.
Und das war nun gar nicht möglich.
Wencke fühlte sich, als renne sie mit voller Wucht gegen eine Wand. Karsten Völker war unfähig, überhaupt etwas zu registrieren. Am Gerüst lehnte eine Flasche Tequila, nur noch einen Finger breit stand die hochprozentige Flüssigkeit darin. Der Zustand des Mannes ließ darauf schließen, dass das vor kurzer Zeit noch ganz anders ausgesehen hatte. Er war besoffen, Speichel zog sich in langen Fäden von seinen Mundwinkeln bis runter zum Schuh, ein Sportschuh, er musste direkt vom Training hierhergekommen sein und dann gesoffen haben wie ein Loch.
»Was haben Sie wirklich mit Shirin Talabani zu tun gehabt?«, versuchte sie es trotzdem. »Waren Sie ihr Geliebter und wollten, dass Ihr Name aus der Sache
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