Todesbrut
war Josy beim Lichtschalter und es wurde dunkel im Raum. Deckung suchend ging Akki in die Hocke.
Jansen legte das Gewehr an: »Ich krieg euch, ihr Verbrecher!«
»Lassen Sie das!«, forderte Josy. »Da kommt nichts Gutes bei raus.«
Doch Ubbo Jansen feuerte.
84 Chris fröstelte. Es war plötzlich feucht und kalt wie in einer Leichenhalle. Zwei weitere Maschinen aus diesem Hangar waren mit Bewaffneten gestartet. Die Piloten flogen freiwillig, fühlten sich wie Helden. Cowboys, die ihre Wagenburg gegen angreifende Indianer verteidigten.
Was Chris besonders erschreckte, war, dass ein Polizist bei ihnen war und eine fanatisierte Frau, die sich als Scharfschützin bezeichnete. Sie hatte ein Gewehr mitgebracht, das aussah, als wollte sie den Terminator erledigen. Sie war eine Urlauberin, hatte sich irgendwelche Medaillen erschossen und bei Meisterschaften gewonnen. Chris stellte sich vor, dass sie zu Hause zwischen den Trophäen ihrer illegalen Safaris wohnte. Ausgestopfte Grizzlys, Löwenköpfe, vermutlich ein Nashorn.
»Wir müssen hinterher, sie irgendwie aufhalten«, sagte Chris entschlossen.
Aber Hassan schüttelte stumm den Kopf. Es hatte ihm zum ersten Mal im Leben die Sprache verschlagen und er wollte nicht länger mitmachen.
Im Grunde, sagte er sich, war ja nichts passiert. Er hatte sich noch nicht strafbar gemacht und auch noch auf keine Seite geschlagen. Er war sich nicht im Klaren darüber, wer hier im Recht war und wer im Unrecht. Er wusste nicht mal, was richtig oder falsch war, daher beschloss er, sich besser herauszuhalten.
Weil er nichts sagte und sich nicht vorwärtsbewegte, stieß Chris ihn an. »Äi, was ist?«
Er zuckte vor ihrer Berührung zurück, als ob er an ein Stromkabel geraten sei. Gleichzeitig fand er seine Sprache wieder, aber im ersten Moment hörte es sich für Chris an, als ob ein anderer zu ihr sprechen würde. Seine Stimme war schroff und abweisend, sie hatte jedes einschmeichelnde Sülzen verloren.
»Was willst du? Einen Krieg?«
»Häh? Was? Sag nicht, du kneifst jetzt!«
Etwas Beunruhigendes lag in der Luft wie Benzinduft. Etwas leicht Entzündbares, das Chris auf eine irre Art lebendig vorkam, das auf eine Gelegenheit lauerte, sich selbst zu entzünden und in die Luft zu sprengen.
Hassan drehte ihr den Rücken zu. Der Satz »Er zeigte ihr die kalte Schulter.« bekam plötzlich fassbaren Sinn für sie.
Sie hätte ihm eine reinhauen können. Sie kapierte sofort, dass sie mit Hassan nur Zeit vergeudet hatte. Er würde ihr nicht helfen. Jetzt nicht mehr. Ihm war das alles zu heftig. Aber da sie keine Alternative hatte, wollte sie nicht so einfach aufgeben.
»Hey, komm! Du lässt mich doch nicht hängen!«
Ohne sie anzusehen, sagte er: »Ihr spinnt doch alle.«
Er wollte gehen, aber Chris hielt ihn fest und zerrte an seiner Kleidung. »Wer spinnt? Ich oder diese fliegenden Cowboys?«
Hassan machte sich mit einer unwirschen Handbewegung frei und stieß sie zurück. »Ich will nichts mit dem ganzen Mist zu tun haben!«
Bei dem Versuch, Chris abzuwehren, musste er sich ihr zuwenden. Er sah sie an und fühlte sich mies. Er wollte sich erklären: »Wir haben doch sowieso keine Chance. Wie soll das gehen? Vielleicht finden wir deinen Freund und die heilige Familie, die er unbedingt retten muss. Aber wir können sie nicht an Bord nehmen! Die Maschine ist kein Hubschrauber. Ich kann damit nicht so einfach irgendwo landen. Du müsstest ihn und diese Bande sowieso hierherholen. Ohne Landebahn kein Flug.«
Das leuchtete Chris ein. Ihr Plan war verdammt unausgegoren. Aber noch hatte sie keinen besseren. Es war, als würde Benjo laut um Hilfe schreien, und sie stand tatenlos herum.
Holger Hartmann näherte sich im Schatten des Hangars. Die zwei bemerkten ihn nicht.
»Du meinst, wir sollten einen Hubschrauber klauen?«, fragte Chris und hoffte, so etwas wie sportlichen Ehrgeiz in ihm zu wecken.
»Du bist echt hart drauf.«
»Na hör mal, der Mann meines Lebens versucht, mit einem Rettungsboot an Land zu gehen, und eine Horde wild gewordener Knallschützen will ihn daran hindern. Soll ich hier Däumchen drehen und in Ruhe eine Tasse Tee trinken?«
Sie versuchte wieder, ihn zu ködern. Sie hatte wundervolle Augen und wusste, wie sehr ihre Blicke auf Männer wirkten.
Hassan verschränkte die Arme vor der Brust, wie um sich vor ihren Annäherungsversuchen zu schützen. »Du wolltest mich doch von Anfang an nur benutzen. Du wusstest, dass ich scharf auf dich bin, und deshalb
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