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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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mal Küstenseeschwalben bei der Jagd gesehen. Sie gleiten ganz dicht über dem Meer und beobachten nur, dann plötzlich, wenn sie eine Beute entdeckt haben, kippen sie mit angelegten Flügeln ins Wasser. Ein paar Meter weiter tauchen sie dann wieder auf.«
    Er wunderte sich, dass Josy Tiere gut finden konnte, die keine »Vegetarier« waren, aber auch das sagte er nicht. Er hatte das Gefühl, in der Klemme zu sitzen, und wusste nicht so recht, wie das hier weitergehen sollte. Er wusste nicht, ob er erfüllen konnte, was sie von ihm erwartete, und er fragte sich auch, ob es überhaupt richtig war. Wer in diese Anlage einen fremden Vogel brachte, gefährdete den gesamten Bestand. Sechzigtausend Tiere.

 
    28 Bettina Göschl wollte nicht länger auf Hilfe warten. Die normale Infrastruktur schien völlig zusammengebrochen zu sein. Aber wenn sie Leon Glauben schenken konnte, dann durfte es gar nicht so weit sein bis zu Dr. Husemann, und der war nicht nur der Hausarzt von Frau Steiger, sondern auch der von ihm und seiner Mutter.
    Frau Steiger stützte sich auf Bettina und Leon und gemeinsam versuchten sie, zur Hans-Bödecker-Straße zu kommen.
    Aber sie schafften mit den Koffern der alten Dame und Bettinas Gitarre nicht einmal die ersten hundert Meter. Durchgeschwitzt von der Schlepperei, stellte Bettina Göschl die Koffer einfach an der Straßenecke ab. Sie befürchtete, für Frau Steiger könnte der Weg damit sonst zu weit werden. Sie sah nicht so aus, als ob sie noch lange durchhalten würde. Ihr Blick hatte etwas Abwesendes und ein schüttelfrostartiges Zittern begann sie zu befallen.
    Es machte Leon Angst. Er war in seinem Herzen ein junger Held, der als Käpt’n Rotbart zur See fuhr und gegen Riesenkraken kämpfte, aber Krankheiten machten ihn mutlos. Wie sollte er gegen sie seinen Säbel ziehen? Die Viren, von denen dauernd geredet wurde, waren als Gegner für ihn zu klein. Ein menschenfressendes Seeungeheuer wäre ihm lieber gewesen …
    Obwohl Frau Steiger nicht mehr in der Lage war, ohne Hilfe zu laufen, weigerte sie sich, ihr Gepäck stehen zu lassen. Sie wollte halsstarrig lieber bei ihrem Koffer bleiben. Aber Bettina sah keine andere Möglichkeit.
    Sie hielt das erstbeste Auto an. Es war ein Fiat Panda. Hinter dem Lenkrad saß Carlo Rosin, neben ihm übernervös Ulf Galle. Für einen Weg, der normalerweise in dreißig Minuten zu schaffen war, hatten sie fast neunzig gebraucht und Ulf hatte überhaupt kein Verständnis dafür, dass Carlo Rosin jetzt auch noch anhielt.
    Ulf Galle redete sich ein, es ginge nicht nur um die Ansteckungsgefahr, die vielleicht von Leuten, die sie mitnehmen sollten, ausging, sondern vor allen Dingen darum, dass sie dringend im Krisenstab gebraucht wurden. Sie mussten dort Bericht erstatten. Wenn in so einer Situation die Verwaltung nicht mehr funktionierte, dann brach die öffentliche Ordnung zusammen.
    Es war eine Ehre, dem Krisenstab zugeordnet zu sein. Er wusste nicht genau, was da auf ihn zukam, aber er wollte seine obersten Dienstherren jetzt auf keinen Fall enttäuschen. Er war immer zuverlässig und pünktlich gewesen und ausgerechnet jetzt … Es würgte ihn schon, wenn er nur daran dachte, zu spät zu kommen.
    »Bitte helfen Sie uns, die Frau zu ihrem Hausarzt oder in ein Krankenhaus zu bringen, sie ist gerade zusammengebrochen …«
    Wenn die Meldungen der letzten zwei Stunden auch nur annähernd richtig waren, konnte es im Moment keinen ungünstigeren Ort für Menschen mit gesundheitlichen Problemen geben als das Krankenhaus. Trotz der völlig verstopften Zufahrtsstraßen hatte die Verwaltung der Klinik bereits Polizeikräfte angefordert, in der Hoffnung, dem Chaos am Eingang Herr werden zu können. Die Polizei hatte allerdings andere Sorgen. Dafür sprangen ein paar ehrenamtliche Helfer vom THW ein. Die Idee, zu einem Hausarzt zu fahren, erschien also logisch, Ulf Galle wollte aber stattdessen lieber zum Krisenstab.
    Er versuchte es mit einer Erklärung, die ihm schon Sekunden später völlig lächerlich vorkam. »Wir würden Ihnen gerne helfen. Wirklich, das müssen Sie uns glauben, aber es geht jetzt nicht. Wir sind vom Gesundheitsamt. Die Stadt befindet sich in einer Krisensituation, wir müssen das große Ganze im Auge behalten und …«
    Während er sprach, war Carlo Rosin schon ausgestiegen. Gemeinsam mit Bettina Göschl wuchtete er Frau Steiger auf den Rücksitz und anschließend verstaute er ihren Koffer. Leon hatte eine Hand am Säbel; bereit, ihn zu ziehen,

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