Todescode
das dauert. Ruft an, wenn es ein Problem gibt.«
Er verließ das Hotel und fuhr mit einem Taxi zur Baker Beach am Nordrand der Stadt, wo der Pazifik aufhörte und die San Francisco Bay anfing. Er zog sich die Schuhe aus und spazierte über den weichen Sand, der von der Sonne angenehm warm war. Ein kalter Wind vom Meer pfiff durch die Luft, und irgendwo in der Bucht tutete ein Schiffshorn, lang und elegisch. Ein einsamer Jogger lief mit einem Golden Retriever an der Wasserlinie entlang über den verlassenen, mit Treibholz übersäten Strand.
Ben ging ans Wasser. Rechts von ihm ragte eine Viertelmeile entfernt die Golden Gate Bridge auf, links von ihm protzten Häuser hoch oben auf steilen Klippen mit millionenteuren Ausblicken. Einen Moment lang schaute er hinaus auf den Pazifik und überließ sich dem zeitlosen Rhythmus der Wellen, die gegen die Felsen und auf den kompakten nassen Sand krachten, dem tosenden Aufprall, der Stille, wenn das Wasser zurückwich und sich sammelte, dem erneuten Tosen. Er fragte sich, wie es hier wohl vor tausend Jahren gewesen war, genau an dieser Stelle. Wenn man die Häuser und die Brücke wegnahm, war es vermutlich genauso gewesen wie jetzt. Der Himmel und das Wasser, das Geräusch des Windes und der Wellen. Ein Ozean mit einem anderen Namen, längst vergessen. Er lächelte und dachte, dass es in weiteren tausend Jahren vielleicht wieder genauso aussähe.
Er war ziemlich oft hierhergekommen, damals auf der Highschool. Der Strand bot Verstecke, die optimal waren, um einen Joint zu rauchen, und noch besser für Sex. Am Fuß der Klippen befand sich eine Felsformation, über die man klettern konnte. Bei Ebbe konntest du genau in der Mitte in eine Senke hinuntersteigen und tun und lassen, was du wolltest, völlig verborgen vor dem Rest der Welt. Ben kletterte jetzt über die Felsen, überrascht, wie vertraut ihm sogleich wieder die Stellen waren, wo er für Hände und Füße sicheren Halt fand. Doch noch mehr überraschte ihn die heftige Traurigkeit, die diese Vertrautheit in ihm auslöste. Die Ebbe hatte noch nicht richtig eingesetzt, weshalb er nicht in die Senke hinunterklettern konnte, aber das hatte er auch nicht vor. Er blieb auf dem höchsten Punkt stehen, griff in seine Sporttasche und holte die Glock hervor, die er am Morgen auf dem Parkplatz des Four Seasons benutzt hatte. Er warf einen letzten Blick auf die Pistole, nahm sie auseinander und warf die Einzelteile weit hinaus ins Meer. Einen Augenblick später schleuderte er die Nummernschilder hinterher. Zweifelhaft, dass irgendwas davon je gefunden wurde. Falls doch war die Pistole nicht zurückzuverfolgen, und das Salzwasser hätte etwaige DNA -Spuren längst weggespült.
Er ging zurück zur Straße und hielt erneut ein Taxi an, das ihn nach North Beach brachte. Im Großen und Ganzen wirkte das Viertel unverändert, doch er war früher immer nur abends hier gewesen, und jetzt bei Tageslicht kam es ihm irgendwie falsch vor. Wie wenn man die Prostituierte, die einen in der Nacht zuvor so scharf gemacht hatte, am nächsten Morgen ohne Make-up sah. Clubs mit Namen wie Roaring Twenties und Garden of Eden und Condor Topless Bar drängten sich zusammen wie ein Haufen Betrunkener, die gemeinsam ihren Rausch ausschliefen, ihre Neonreklamen tot, ausgebleicht im Sonnenlicht, die zahllosen grauen Flecken festgetretener Kaugummis vor ihnen der einzige Beweis für die ruhelosen Massen, die sie nachts anlockten. Ein Obdachloser in einem bunt schillernden Regenmantel blieb an einem Mülleimer stehen und fing an, darin herumzustöbern, ohne sich an Bens Gegenwart zu stören. Ben zog einen Zwanziger aus seinem Portemonnaie, und als der Mann aufschaute, gab er ihn ihm. Der Mann starrte auf den Schein und lächelte Ben dann an, so dass dunkles, vereitertes Zahnfleisch zum Vorschein kam. Ben sah ihm nach, als er davonschlurfte, und dachte:
Was nutzt das schon?
Er suchte sich ein Internetcafé und holte die Brieftaschen der toten Russen hervor. Die Führerscheine waren auf die Namen Grigory Solovyov und Yegor Gorsky ausgestellt. Keiner von beiden ergab auch nur einen Treffer. Na, vielleicht hatte eine der Behörden seines Vertrauens irgendwelche Informationen über sie.
Ihm kam ein Gedanke – eine Möglichkeit, Sarah auf die Probe zu stellen. Wie hieß noch mal der Club gegenüber vom Vesuvio … Pearl’s oder so ähnlich? Er suchte nach Pearl’s San Francisco und wurde beim ersten Versuch fündig: Jazz at Pearl’s. Eine Sängerin namens Kim
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