Todescode
Inventar gehören wie der geflieste Boden und die Flaschenansammlung hinter der Bar. Jazz lief im Hintergrund, Klavier und Saxophon, und die Klänge vermischten sich mit den Gesprächen der Leute an der Bar und an den Tischen. Ben ging an ihnen vorbei und stieg die schmale Treppe hinten im Raum hinauf in die schwach beleuchtete obere Etage.
Er hatte Glück. Es war ein Fensterplatz frei, von wo man auf die Kerouac Alley und die Columbus schauen konnte. Er setzte sich und hatte einen wunderbaren Blick auf den Eingang vom Pearl’s mit den Doppeltüren und der roten Markise darüber. Er sah auf die Uhr. Punkt sieben. Wenn irgendetwas passieren würde, dann innerhalb der nächsten ein bis zwei Stunden. Eine Kellnerin kam vorbei, und er bestellte einen Kaffee.
Falls Sarah irgendwie mit drinsteckte, würde sie jemandem Bescheid geben, wo Ben zu finden war. Falls Ben nicht alle getötet hatte, und das glaubte er nicht, gab es bestimmt noch Leute hier vor Ort. Sollte er mit seinem Verdacht richtigliegen, würden ein oder vielleicht zwei Männer am Pearl’s auftauchen. Wenn es zwei waren, würde einer draußen warten, damit die Zielperson höchstens einen von ihnen bemerkte. Wenn nur einer kam, würde er natürlich allein hineingehen und dann wieder rauskommen, sobald er sicher war, dass Ben nicht drin war. Falls sie auftauchten, würde Ben nach draußen gehen und ihnen folgen, und dann müsste er improvisieren.
Wonach er Ausschau hielt, war nur schwer in Worte zu fassen, aber wenn er es sah, würde er es erkennen. Die Männer würden aufmerksam auf ihre Umgebung achten. Sie würden bewusst entspannte Mienen aufsetzen, aber ihre Körperhaltung würde Konzentration ausstrahlen. Sie würden dunkle, unauffällige Kleidung tragen, ohne irgendwelche markanten Logos. Sie würden einen Ausdruck in den Augen haben, den er selbst von der anderen Straßenseite wiedererkennen konnte. Genauso einen Ausdruck, wie er ihn selbst in den Augen hatte.
Er trank einen Schluck Kaffee, während er den Autoverkehr auf der Columbus beobachtete und sich jeden Fußgänger genau ansah. Der Himmel färbte sich von Indigoblau zu Schwarz, und die Straße wurde von Neonreklamen erhellt. Ab halb acht füllte sich das Pearl’s allmählich, überwiegend mit salopp, aber gut gekleideten Paaren, die für ihn nicht von Interesse waren. Acht Uhr kam und ging, doch er sah niemand Verdächtigen. Nun gut, er würde bis nach dem Konzert warten. Wenn nichts passierte, musste das noch lange nichts heißen. Sarah könnte trotzdem in der Sache drinstecken. Vielleicht konnten ihre Leute einfach nicht so schnell irgendwen mobilisieren. Immerhin hatten sie am Morgen zwei Männer verloren. Durchaus möglich, dass sie jetzt Mühe hatten, ein volles Team auf die Beine zu stellen.
Um kurz vor halb neun sah er eine attraktive, dunkelhaarige Frau in einer taillenlangen schwarzen Lederjacke die Columbus hochkommen. Er sah genauer hin. Ach du Scheiße. Es war Sarah.
Er beobachtete, wie sie im Pearl’s verschwand, und wusste nicht, was er davon halten sollte. Das ergab keinen Sinn. Er konnte sich zwar vorstellen, dass sie an dieser ominösen Geschichte beteiligt war, durch die Alex sich Schwierigkeiten eingehandelt hatte, aber nicht, dass sie selbst aktiv zur Tat schritt. Er suchte die Straße in beide Richtungen ab, sah jedoch nichts, was ihm verdächtig vorkam.
Ihm blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken. Er würde sich einfach spontan was einfallen lassen müssen.
Er holte sein Handy hervor und rief Alex an. »Wollte mich nur mal melden«, sagte er. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja«, sagte Alex. »Nichts Neues. Bisher kein Durchbruch. Wir haben für heute Schluss gemacht. Sarah ist losgezogen, um sich ein paar Sachen zum Wechseln zu kaufen.«
Sie hatte Alex nicht gesagt, dass sie ins Pearl’s wollte. Er war unsicher, was das zu bedeuten hatte.
»Ich möchte, dass du Folgendes machst«, sagte Ben, während er weiter durchs Fenster die Doppeltüren im Auge behielt. »Geh ins Bad, unter der untersten Schublade findest du einen Zimmerschlüssel. Von einem zusätzlichen Zimmer, das ich gemietet habe – 458, direkt gegenüber von unserem. Geh da rein. Bleib nicht, wo du bist.«
»Wieso? Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
»Nein, alles bestens. Ich bin nur vorsichtig, oder nenn es von mir aus paranoid. Ich will nur nicht, dass sie weiß, wo du bist, solange ich weg bin.«
»Ben, ich arbeite mit ihr. Ich kenne sie. Sie hat nichts mit der Sache zu tun.«
»Klar, jeder
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