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Todescode

Todescode

Titel: Todescode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Atmosphäre wirkte authentisch, und sie war froh, sich geirrt zu haben.
    Sie ging hinauf in die erste Etage und schlenderte am Geländer der Galerie entlang, von wo man nach unten auf die Bar sehen konnte. Die Decke war dicht über ihrem Kopf, vielleicht etwas über zwei Meter hoch, und dunkelbraun oder schwarz gestrichen. Von der Straße fiel etwas Licht herein, aber ansonsten war es so dämmrig, dass sie unwillkürlich die Augen zusammenkniff. Ein paar Gruppen von Leuten redeten und lachten an den Tischen. Sie machte Bens Gestalt am Fenster aus, wo sie sich schemenhaft gegen das Licht der Neonreklame vom Tosca Café auf der anderen Straßenseite abhob. Er saß ein Stück von seinem Tisch entfernt, die Füße fest auf dem Boden. Irgendetwas an ihm wirkte immerzu in Bereitschaft. Für was, konnte sie nicht sagen.
    »Was machen Sie hier?«, fragte er, als sie näher kam.
    Sie blieb vor dem Tisch stehen, setzte sich aber nicht. »Ich wollte mit Ihnen reden.«
    Er nickte und blickte hinaus auf die Straße, dann wieder sie an. »Haben Sie ein Problem damit, wenn ich Sie mit den Händen berühre?«, fragte er leise.
    Sie schüttelte den Kopf, meinte, sich verhört zu haben. »Wie bitte?«
    »Ich werde hier nicht entspannt sitzen können, solange ich Sie nicht abgetastet habe. Tut mir leid, aber so ist das nun mal.«
    Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. War das sein Ernst?
    Während sie noch dastand und versuchte, das Ganze zu verstehen, stand er auf und trat zu ihr. Er beugte sich dicht an sie ran, und sie begriff, was er damit bezweckte: Er wollte kaschieren, was er mit ihr anstellte, falls irgendjemand sie beobachtete. Sie roch einen Hauch von der Hotelseife und noch irgendetwas anderes darunter, irgendetwas Maskulines, das sie nicht benennen konnte. Sie spürte, wie sich seine linke Hand in ihre Jacke schob und an ihrer rechten Seite hochglitt, die Handfläche fest über ihre Nierengegend, die Rippen, den Rand ihrer Brust strich. Dann vollführte seine rechte Hand das Gleiche auf der anderen Seite. Er zog sie an sich und fuhr ihr mit den Händen leicht übers Kreuz und über die Hüften. Sie spürte ihr Herz pochen und erklärte es sich damit, dass sie wütend war.
    Er trat einen Schritt zurück und sah sich kurz in dem Raum um, ging dann vor ihr auf die Knie und fuhr ihr rasch mit beiden Händen an jedem Bein hoch, von der Ferse bis zum Schritt. Sie hörte, wie ihr Atem geräuschvoll durch die Nase ein- und ausglitt.
    Er richtete sich auf und sah sie an. Sie starrte zurück. »Zufrieden?«, fragte sie.
    Er nickte und setzte sich, ohne irgendeine Aufforderung, es ihm gleichzutun.
    Seine bodenlose Frechheit sowie ihr Unvermögen, mit irgendwas Wirkungsvollerem zu reagieren als lediglich mit einem einzigen lahmen sarkastischen Wort machte sie so wütend, dass sie sich ausmalte, wie sie einen Stuhl packte und damit auf ihn einschlug wie mit einem Baseballschläger. »Aufstehen«, befahl sie.
    »Was?«
    »Aufstehen«, wiederholte sie.
    Er gehorchte.
    Sie trat näher und blickte ihm in die Augen. »Es ist besser, wir sind beide auf der Hut, oder?«
    Sie schob ihre Hände in seinen Blazer und fuhr an seinen Seiten hoch. Sie konnte die Wärme seiner Haut durch das Hemd spüren, die Muskeln darunter. Sie ließ ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen. Er wollte einen auf frech machen? Das konnte sie auch.
    Sie ging vor ihm in die Knie und betastete ihn mit der gleichen Ungezwungenheit, der gleichen Selbstverständlichkeit, wie er es bei ihr getan hatte. Dann richtete sie sich auf und legte ihm eine Hand auf den Bauch. Er war hart und flach, und sie konnte spüren, wie er sich bei jedem Atemzug leicht dehnte und zusammenzog.
    »Sie sind anscheinend unbewaffnet«, sagte sie, während sie ihm weiter in die Augen blickte.
    Er legte seine Hand auf ihre und fing an, sie tiefer zu drücken. Sie konnte es nicht fassen … was hatte er vor, wollte er noch eins draufsetzen? Aber sie würde nicht als Erste blinzeln.
    Tiefer. Ihr Herz schlug wie wild, doch sie konnte nicht wegsehen.
    Ihre Hand verharrte an einer harten Ausbuchtung knapp über seinem Schritt. Sie begriff, was es war – eine Pistole, in irgendeiner Art verborgenem Spezialholster.
    »Vielleicht kann ich Ihnen ja doch trauen«, sagte er.
    Sie funkelte ihn erbost an. »Wieso?«
    »Weil niemand, nicht einmal jemand mit der rudimentärsten Ausbildung, eine so stümperhafte Leibesvisitation fertiggebracht hätte. Vielleicht sind Sie ja tatsächlich bloß eine

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