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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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»Ich weiß, daß das unbequem ist. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Aber, Skip, wie oft kommt es denn schon vor, daß Sie vier Schneemobile und zwei Anhänger auf einen Schlag verkaufen?«
    Treat seufzte. »Okay. Alles wird morgen früh um halb fünf fertig sein. Aber um die Zeit kommen Sie nie ans Nordufer.«
    Grace, George Westvec und Barlowe gingen nach draußen, wo die anderen warteten.
    Edna Vanoff trat vor und sagte: »Wir haben ein Motel mit genügend Zimmern für uns alle gefunden, Mutter Grace. Es ist nur einen halben Kilometer von hier entfernt. Das können wir leicht zu Fuß schaffen.«
    Grace blickte in den frühen Nachthimmel und kniff die Augen zusammen, als ihr der Schnee ins Gesicht schlug und sich Rauhreif an ihren Augenbrauen bildete. Unter ih rer Wollmütze, die sie sich über die Ohren gezogen hatte, hingen lange zerzauste Haarsträhnen heraus, die jetzt noch feuchter und ungepflegter wirkten. »Satan hat diesen Sturm gebracht. Er versucht uns aufzuhalten. Er versucht uns davon abzuhalten, den Jungen zu erreichen, bis es zu spät ist. Aber Gott wird dafür sorgen, daß wir durchkommen.«

54
    Um halb zehn wurde Joey schläfrig. Sie brachten ihn zu Bett und deckten ihn mit einer schweren, blau und grün gemu sterten Steppdecke zu. Christine wollte bei ihm im Schlafzimmer bleiben, obwohl sie noch nicht zum Zubettgehen bereit war, aber Charlie wollte mit ihr reden und Pläne machen.
    »Du kommst doch alleine klar, oder, Joey?« fragte er. »Ich glaube schon«, sagte der Junge. Unter der mächtigen Steppecke und mit dem Kopf auf einem riesigen Kissen wirkte er winzig, elfenhaft.
    »Ich will ihn nicht alleine lassen«, sagte Christine.
    »Hier kommt niemand an ihn heran«, meinte Charlie, »es sei denn, sie kommen über die Treppe herauf, und dann werden wir ja unten sein, um sie aufzuhalten.«
    »Das Fenster?«
    »Wir sind im Obergeschoß. Sie müßten eine Leiter gegen das Haus lehnen, um heraufzusteigen, und ich bezweifle, daß sie eine Leiter mithaben würden.«
    Sie musterte das Fenster mit gerunzelter Stirn, war unschlüssig.
    »Wir sind hier sicher, Christine«, sagte Charlie. »Hören Sie doch den Wind. Selbst wenn sie wüßten, daß wir hier in diesen Bergen sind, selbst wenn sie wüßten, daß wir ausgerechnet in dieser Hütte hier sind — und das wissen sie nicht —, dann würden sie es heute nicht schaffen hierherzukommen.«
    »Ich bin schon okay, Mama«, sagte Joey. »Ich hab' ja Chewbacca. Und wie Charlie gesagt hat, die BHV-Vorschriften lassen ja nicht zu, daß Hexen in einem Sturm fliegen.«
    Sie seufzte, zog ihrem Sohn die Decke zurecht und gab ihm einen Gutenachtkuß. Joey wollte Charlie auch einen Gutenachtkuß geben, was für Charlie eine völlig neue Erfahrung war. Als er die Lippen des Jungen auf seiner Wange spürte, überkam ihn eine Flut von Empfindungen: das quälende Gefühl, wie verletzbar der Junge noch war; der glühende Wunsch, ihn zu beschützen; der herzzerreißende Eindruck von Unschuld; die rührende und zugleich beängstigende Erkenntnis, daß der Junge ihm völlig vertraute. Der Augenblick war so warm, so entwaffnend, so befriedigend, daß Charlie nicht verstehen konnte, wie er es eigentlich fertiggebracht hatte, sechsunddreißig Jahre alt zu werden, ohne selbst eine Familie zu gründen.
    Vielleicht war es seine Bestimmung gewesen, dazusein und auf Christine und Joey zu warten, um ihnen dann zu helfen, wenn sie ihn brauchten. Wenn er natürlich eine eigene Familie gehabt hätte, dann hätte er nicht so für die Scavellos eintreten können, wie er das getan hatte; was in den letzten Tagen geschehen war - alles Dinge, die weit über die bloße Pflicht hinausgingen —, wäre einem seiner Männer zugefallen, der vielleicht nicht so geschickt oder so ergeben wie Charlie gewesen wäre. Als Christine sein Büro betreten hatte, hatte ihn ihre Schönheit förmlich umgeworfen und zugleich das sichere Gefühl, daß sie dazu bestimmt wa ren, sich zu begegnen, so oder so, daß sie sich auch auf andere Art gefunden hätten, wenn Grace Spivey sie nicht jetzt zusammengeführt hätte. Ihre Beziehung schien unvermeid bar. Und jetzt schien es ebenso unvermeidbar und richtig, daß er Joeys Beschützer sein sollte, daß er jeden Tag der gesetzmäßige Vater des Jungen sein sollte, daß er jede Nacht hören sollte, wie dieser kleine Junge sagte: »Gute Nacht, Papi« und nicht mehr: »Gute Nacht, Charlie.«
    Bestimmung.
    Das war ein Wort, ein Begriff, über den er nie viel

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