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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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drückte seinen Kopf an sich. »Brandy! Siehst du? Das ist Brandy. Er ist immer noch hier. Du hast gelogen. Brandy ist nicht verletzt. Brandy ist okay. Dem guten alten Brandy fehlt gar nichts.«
    Einen Augenblick lang konnte Christine weder atmen noch sich bewegen, weil der Schmerz sie bewegungsunfähig machte, nicht physischer Schmerz, sondern emotio naler Schmerz, tief und bitter. Joey fing an, ihr zu entgleiten. Sie hatte gedacht, daß er Brandys Tod akzeptiert hatte, daß all dies erledigt war, als sie ihn gezwungen hatte, den Hund Chewbacca und nicht Brandy Zwei zu nennen. Aber jetzt, als sie seinen Namen aussprach, reagierte er nicht, sah sie nicht einmal an, sondern murmelte nur auf den Hund ein, streichelte ihn, drückte ihn an sich. Sie schrie seinen Namen, aber er reagierte immer noch nicht.
    Sie hätte nie zulassen dürfen, daß er diesen Hund behielt, der dem anderen so ähnlich sah. Sie hätte ihn zwingen sollen, ihn ins Tierheim zurückzubringen, hätte ihn dazu bringen müssen, einen anderen Hund auszuwählen, alles, nur keinen Golden Retriever.
    Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht war da nichts, was sie hätte tun können, um seine Zurechnungsfähigkeit zu retten. Man konnte von einem Sechsjährigen nicht erwarten, daß er selbst intakt blieb, während seine ganze Welt rings um ihn in Stücke ging. Viele Erwachsene wären schon früher zerbrochen. Obwohl sie sich das Gegenteil einzureden versucht hatte, waren doch seine emotionalen und geistigen Probleme unvermeidbar gewesen.
    Ein guter Psychiater würde ihm helfen können, das redete sie sich ein. Sein Rückzug aus der Realität war nicht von Dauer. Sie mußte glauben, daß das so war. Sie mußte es glauben. Sonst hatte es keinen Sinn, von hier aus weiterzu machen.
    Sie lebte für Joey. Er war ihre ganze Welt, alles, was ihr Leben lebenswert machte. Ohne ihn...
    Das Allerschlimmste war, daß sie jetzt nicht die Zeit hatte, ihn an sich zu drücken und mit ihm zu reden, obwohl das etwas war, was er dringend brauchte und übrigens auch etwas, das sie brauchte. Aber Spivey war unterwegs, und die Zeit ging zur Neige, also mußte sie Joey ignorieren, sich in dem Augenblick von ihm abwenden, wo er sie am allermeisten brauchte, mußte sich wieder unter Kontrolle bekommen und den Rucksack packen. Ihre Hände zitterten, Tränen strömten ihr über das Gesicht. Ihr war nie schlimmer zumute gewesen. Jetzt würde sie möglicherweise, selbst wenn Charlie Joeys Leben rettete, ihren Jungen verlieren, und nur die lebende, aber leere Hülle von ihm würde ihr vielleicht bleiben. Aber sie arbeitete weiter, riß offene Schranktüren auf, suchte Dinge, die sie brauchen würden, wenn sie in den Wald gingen.
    Sie war erfüllt vom schwärzesten Haß auf Spivey und die Kirche des Zwielichts. Sie wollte sie nicht nur töten. Sie wollte sie zuerst foltern, sie wollte das alte Miststück dazu bringen, daß sie schrie und um Gnade bettelte, das schmutzige verkommene, verrückte alte Miststück!
    Und Joey sagte leise und einschmeichelnd: »Brandy... Brandy... Brandy«, und streichelte dabei Chewbacca.

57
    Sieben Minuten verstrichen, bis einer von Spiveys Leuten es wagte, sich aufzurichten, um zu prüfen, ob Charlie sie immer noch im Visier hatte.
    Das hatte er, und er eröffnete das Feuer. Aber obwohl dies die Gelegenheit war, auf die er gewartet hatte, war er unkonzentriert, zu angespannt und zu eifrig. Er riß den Abzug durch, anstatt ihn sachte durchzuziehen, riß damit die Waffe aus dem Ziel und verfehlte.
    Das Feuer wurde sofort erwidert. Er hatte damit gerechnet, daß sie bewaffnet waren. Aber ganz sicher war er bis jetzt nicht gewesen. Zwei Karabiner eröffneten das Feuer, und es war auf das obere Ende der Wiese gerichtet. Aber die ersten Kugeln schlugen fünfzig Meter links von ihm im Wald ein; er hörte die Kugeln in die Bäume schlagen. Die nächsten Schüsse lagen näher, vielleicht fünfunddreißig Meter entfernt, immer noch zu seiner Linken, aber das Feuer hielt an, und die Schüsse kamen näher. Sie wußten in etwa, wenn auch nicht genau, wo er war, und versuchten, ihm eine Reaktion zu entlocken, damit er seinen Standort verriet.
    Als die Schüsse näherkamen, zog er den Kopf ein und preßte sich in die dünner werdenden Schatten am Waldrand. Er hörte, wie unmittelbar über ihm Kugeln durch die Äste fetzten. Stücke von Rinde, ein Regen von Tannennadeln und ein paar Tannenzapfen regneten rings um ihn herunter; ein paar Stücke fielen sogar auf seinen Rücken,

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