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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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hinfallen zu lassen, wahrscheinlich weil er glaubte, daß er in dieser Haltung kein Ziel bieten würde, was freilich nicht der Fall war. Höchstwahrscheinlich vermutete er auch, daß er sich beim leisesten Geräusch fallen lassen könnte, aber er wurde getroffen und war tot, ehe der Abschußknall an sein Ohr gedrungen war.
    Drei erledigt. Blieben noch sieben. Sechs — falls er Spivey ebenfalls getötet hatte.
    Zum erstenmal in seinem Leben war Charlie Harrison froh, daß er in Vietnam gedient hatte. Fünfzehn Jahre waren verstrichen, aber die Instinkte, die er auf dem Schlachtfeld erlernt hatte, waren ihm geblieben. Er verspürte den herzzerreißenden Schrecken des Jägers ebenso wie den des Ge jagten, den Kampfstreß, der mit keiner anderen Art von Streß vergleichbar war, aber er wußte immer noch, wie man diese Spannung einsetzte, wie man den Streß ausnutzte, um wachsam und scharf zu bleiben.
    Die anderen verhielten sich still, gruben sich in den Schnee, dicht an den Jeep und die Schneemobile gepreßt. Charlie konnte hören, wie sie einander zuriefen, aber keiner von ihnen wagte es, sich zu bewegen.
    Er wußte, daß sie jetzt fünf oder zehn Minuten untenbleiben würden. Vielleicht sollte er jetzt aufstehen, zur Hütte eilen und den Vorsprung nutzen. Aber wenn er wartete, bestand die Aussicht, daß er das nächste Mal, wenn sie wieder etwas Zuversicht geschöpft hatten, noch einen sauberen Schuß schaffen würde. Für den Augenblick jedenfalls bestand keine Gefahr, irgendwelche Vorteile zu verlieren, wenn er hierblieb; also wartete er am Waldrand. Er lud wieder nach und starrte auf sie hinunter, von seiner Schießkunst entzückt, wobei er sich wünschte, daß er nicht stolz darauf wäre, nicht begeistert darüber, daß er drei von ihnen erledigt hatte, und war zugleich voll Scham über diese Freude.
    Der Himmel sah hart und metallisch aus. Leichte Schneeflocken tanzten in der Luft.
    Noch kein Wind. Gut. Der Wind würde ihn beim Schießen stören.
    Unten hatten Spiveys Leute zu reden aufgehört. Ein unnatürliches Schweigen kehrte in die Bergwelt zurück. Die Zeit verstrich.
    Sie hatten Angst vor ihm, diese Leute dort unten. Er wagte zu hoffen.

56
    In der Hütte fand Christine Joey im Wohnzimmer stehen. Sein Gesicht war aschfahl. Er hatte die Schüsse gehört. Er wußte Bescheid.
    »Das ist sie.«
    »Honey, zieh deinen Skianzug an und deine Stiefel. Wir gehen hier bald weg.«
    »Stimmt's?« fragte er leise.
    »Wir müssen abmarschbereit sein, sobald Charlie kommt.«
    »Ist sie's nicht?«
    »Doch«, sagte Christine. Tränen quollen aus den Augen des Jungen, und sie drückte ihn an sich. »Alles wird gut. Charlie wird sich um uns kümmern.«
    Sie blickte in seine Augen, aber er blickte nicht in die ihren. Er sah durch sie hindurch, in eine andere Welt als die se, an einen Ort, den nur er kannte, und die Leere in seinen Augen ließ es ihr eisig über den Rücken laufen.
    Sie hatte gehofft, daß er sich anziehen konnte, während sie Sachen in ihren Rucksack stopfte, aber er war am Rande der Katatonie, stand einfach mit ausdruckslosem Gesicht und herunterhängenden Armen da. Sie packte seinen Skianzug und zog diesen ihm an, zog ihn über seinen Pullover und die Jeans, die er bereits trug, streifte zwei Paar dikke Socken über seine kleinen Füße, zog ihm Stiefel an, schnürte sie zu. Sie legte seine Handschuhe und seine Skimaske neben der Tür auf den Boden, um sie nicht zu verges sen, wenn die Zeit gekommen war.
    Als sie in die Küche ging und anfing, Lebensmittel und andere Dinge für den Rucksack auszuwählen, kam Joey mit, stellte sich neben sie. Und dann schüttelte er plötzlich seinen Trancezustand ab, und sein Gesicht verzerrte sich vor Angst, und er sagte: »Brandy? Wo ist Brandy?«
    »Du meinst Chewbacca, Honey.«
    »Brandy. Ich meine Brandy!«
    Erschreckt hörte Christine auf zu packen, beugte sich neben ihm nieder, legte die Hand auf seine Stirn. »Honey, tu das nicht, mach deiner Mami keine Sorgen. Du erinnerst dich doch. Ich weiß das. Du erinnerst dich... Brandy ist tot.«
    »Nein.«
    »Die Hexe...«
    »Nein!«
    »Hat ihn getötet.«
    Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Nein! Brandy!« Er schrie verzweifelt nach seinem toten Hund. »Brandy! Braaandeeee!«
    Sie hielt ihn fest, und er kämpfte dagegen an. »Joey, bitte, bitte.«
    In dem Augenblick trottete Chewbacca in die Küche, um nachzusehen, was all die Unruhe zu bedeuten hatte, und der Junge entwand sich Christine, packte den Hund vergnügt,

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