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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Sessel geschnallt. An seiner linken Schulter und dem linken Arm waren ihm hundert Zähne gewachsen, und wie das Schicksal es wollte, brauchten sie alle eine Wurzelbehandlung. Der Zahnarzt öffnete die Tür und kam herein, und es war Grace Spivey. Sie hatte den größten, häßlichsten Bohrer, den er je gesehen hatte, und sie würde ihn nicht einmal an den Zähnen an seiner Schulter einsetzen; sie würde ein Loch durch sein Herz bohren —
    — und sein Herz schlug wie wild, als er aufwachte und feststellte, daß er sich an den umgestürzten Baum klammerte.
    Christine.
    Joey.
    Er durfte sie nicht im Stich lassen.
    Er kletterte über den Stamm, fragte sich, ob er wohl einen Gehversuch wagen durfte, entschied sich dagegen und ging wieder auf die Knie. Er kroch.
    Nach einer Weile fühlte sein Arm sich besser an.
    Er fühlte sich tot an. Das war besser.
    Der Schmerz legte sich.
    Er kroch.
    Wenn er einen Augenblick innehielt, sich zusammenrin gelte und die Augen schloß, würde der Schmerz ganz weggehen. Das wußte er.
    Aber er kroch weiter.
    Trotz der eisigen Luft hatte er Durst, und ihm war heiß. Er hielt inne, schöpfte mit der hohlen Hand etwas Schnee und schob ihn in den Mund. Er schmeckte wie Kupfer, faulig. Er schluckte trotzdem, weil seine Kehle sich anfühlte, als stünde sie in Flammen, und der scheußlich schmeckende Schnee wenigstens kühl war.
    Das einzige, was er jetzt brauchte, ehe er sich weiterbewegte, war ein Augenblick der Ruhe. Der Tag war nicht hell; trotzdem schmerzte das graue Licht, das zwischen den Bäumen durchsickerte, in seinen Augen. Wenn er sie nur einen Augenblick schließen konnte, den grellen grauen Schein ein paar Sekunden verdrängen konnte...

62
    Christine wollte Joey und Chewbacca nicht alleine lassen, hatte aber keine andere Wahl, weil sie wußte, daß Charlie in Bedrängnis war. Nicht nur der anhaltende Schußwechsel hatte sie beunruhigt. Es waren auch die Schreie, die vor einer Weile aufgehört hatten, und die Tatsache, daß er so lange brauchte. Aber in erster Linie war es einfach eine Ahnung - vielleicht weibliche Intuition -, die ihr sagte, daß Charlie sie brauchte.
    Sie erklärte Joey, daß sie nicht weit gehen würde, nur hundert Meter oder so, um nach Charlie zu sehen. Sie drückte den Jungen an sich, fragte ihn, ob er alleine zurechtkommen würde, dachte, ihn nicken zu sehen, konnte aber keine andere Reaktion aus ihm herausholen.
    »Geh nirgendwohin, während ich weg bin«, sagte sie. Er gab keine Antwort.
    »Geh hier nicht weg. Verstehst du?«
    Der Junge blinzelte, aber sein Blick ging immer noch
    durch sie hindurch.
    »Ich liebe dich, Honey.«
    Der Junge blinzelte wieder.
    »Paß du auf ihn auf«, sagte sie zu Chewbacca.
    Der Hund schnaubte.
    Sie nahm die Schrotflinte und trat unter dem Felsüberhang hervor, vorbei an dem ersterbenden Feuer. Sie sah sich um. Joey sah sie nicht einmal an. Er lehnte mit herunterhängenden Schultern an der Felswand, den Kopf gesenkt, die Hände im Schoß, und starrte vor sich zu Boden. Hin und her gerissen zwischen der Angst, ihn alleine zu las sen, und der Sorge, Charlie könnte sie brauchen, drehte sie sich um und ging den Hirschpfad hinauf.
    Die Wärme des Feuers hatte ihr gutgetan. Ihre Knochen und Muskeln fühlten sich nicht mehr so steif wie vor einer Weile an; jetzt tat wenigstens nicht mehr jeder Schritt weh.
    Die Bäume schützten sie vor der Wut des Windes, aber sie wußte, wie wütend er blies, denn er erzeugte in den obersten Zweigen ein wildes, gespenstisches Geräusch. An den Stellen, wo der Wald sich öffnete und der bleierne Himmel zu sehen war, kam der Schnee so dick und schnell herunter, daß er fast wie Regen wirkte.
    Sie hatte höchstens achtzig Meter zurückgelegt und zwei Wegbiegungen hinter sich, als sie Charlie sah. Er lag mit dem Gesicht nach unten mitten auf dem Weg, den Kopf zur Seite gewandt.
    Nein.
    Sie blieb ein paar Schritte vor ihm stehen und hatte Angst näherzutreten, weil sie wußte, was sie entdecken würde.
    Er bewegte sich nicht.
    Tot.
    O Gott, er war tot. Sie hatten ihn umgebracht. Sie hatte ihn geliebt, und er hatte sie geliebt, und jetzt war er für sie gestorben. Der Gedanke machte sie krank. Die düsteren, mürrischen Farben des Tages sickerten in sie hinein, und eine betäubende Verzweiflung erfüllte sie.
    Aber die Trauer mußte auch der Furcht Platz lassen, weil sie und Joey jetzt auf sich alleine gestellt waren, und weil sie nicht glaubte, daß sie es ohne Charlie schaffen würden, die se

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