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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sagten, er sei paranoid geworden, seit er sich der Kirche des Zwielichts angeschlossen hatte. Aber sie verstanden das einfach nicht. Sein Verhalten schien nur deshalb paranoid, weil er die Wahrheit erkannt hatte, so wie Mutter Grace sie lehrte, und weil seine alten Freunde und seine Familie nicht gerettet worden waren. Ihm hatte man die Augen geöffnet; sie waren immer noch blind.
    Wieder ächzende Geräusche aus dem Obergeschoß.
    »Unser Glauben ist ein Schild«, sagte Baumberg mit brüchiger Stimme. »Wir dürfen daran nicht zweifeln.«
    »Die Mutter hat uns einen Panzer geliefert«, sagte O'Hara.
    »Wir tun Gottes Werk«, sagte Baumberg und forderte damit die Dunkelheit heraus, die das Haus erfüllte.
    O'Hara knipste die Taschenlampe an und hielt eine Hand darüber, so daß sie gerade genug Licht hatten, um sich zu rechtzufinden, aber nicht so viel, um von draußen gesehen zu werden.
    Baumberg folgte ihm zur Treppe und hinauf ins Obergeschoß.

20
    »Ihr Name ist Grace Spivey«, sagte Charlie, während ihr Wagen durch die immer kühler werdende Februarnacht rollte.
    Christine konnte den Blick nicht von der Fotografie wenden. Der Schwarzweißblick der alten Frau war seltsam hypnotisch, und eine kalte Strahlung schien davon auszugehen.
    Auf dem Vordersitz unterhielt sich Joey mit Pete Lockburn über Steven Spielbergs ET, den Joey viermal gesehen hatte — und Lockburn wesentlich häufiger. Die Stimme ihres Sohnes klang weit entfernt, als befände er sich auf einem fernen Berg, für sie bereits verloren.
    Charlie schaltete die Taschenlampe ab.
    Christine war erleichtert, als Schatten über das Foto fielen und damit der unheimliche Bann gebrochen war, den es auf sie ausübte. Sie steckte es in den Umschlag und reichte ihn Charlie zurück. »Ist sie das Oberhaupt dieses Kults?«
    »Sie ist der Kult. Es ist in erster Linie ein Persönlichkeitskult. Ihre religiöse Botschaft ist in keiner Weise einmalig oder etwas Besonderes; es ist die Art und Weise, wie sie es an den Mann bringt. Wenn Grace etwas zustoßen würde, würden ihre Anhänger sich verlaufen, und die Kirche würde vermutlich zusammenbrechen.«
    »Wie kann eine verrückte alte Frau wie sie Anhänger an sich binden? Auf mich wirkte sie überhaupt nicht charismatisch.«
    »Aber das ist sie«, sagte Charlie. »Ich habe nie selbst mit ihr gesprochen, aber Henry Rankin hat das getan; er hat den Fall bearbeitet, den ich erwähnte. Die zwei kleinen Kinder, die ihre Mutter mitgenommen hat. Er hat mir gesagt, Grace besäße einen ganz bestimmten Magnetismus, den man ihr nicht absprechen kann, eine sehr ausgeprägte Persönlichkeit. Und obwohl ihre Botschaft nicht besonders neu ist, ist sie dramatisch und erregend, eben das, worauf ein bestimmter Menschentyp enthusiastisch reagiert.«
    »Und was für eine Botschaft ist das?«
    »Sie sagt, wir leben in den letzten Tagen der Welt.«
    »Jeder religiöse Spinner von hier bis Maine hat das irgendwann einmal verkündet.«
    »Selbstverständlich.«
    »Also muß doch mehr daran sein. Was sagt sie sonst noch?«
    Charlie zögerte, und sie spürte, daß er Angst hatte, ihr den Rest zu sagen.
    »Charlie?«
    Er seufzte. »Grace sagt, der Antichrist sei bereits geboren worden.«
    »Das hab' ich auch schon einmal gehört. Einen Kult gibt es, der behauptet, der Antichrist sei der König von Spanien.«
    »Das ist einmal etwas Neues.«
    »Andere sagen, der Antichrist wird der Mann sein, der als nächster die russische Regierung übernimmt.«
    »Das klingt schon etwas vernünftiger, als den König von Spanien damit zu belasten.«
    »Mich würde es nicht überraschen, wenn es irgendwo einen Kult gäbe, der der Ansicht ist, Burt Reynolds oder Stephen King oder Rodney Dangerfield wären der Antichrist.«
    Charlie lächelte nicht über ihren kleinen Scherz. »Wir leben in verrückten Zeiten«, sagte er.
    »Wir nähern uns dem Ende eines Jahrtausends«, sagte Christine. »Aus irgendeinem Grund lockt das sämtliche Verrückten von den Bäumen herunter. Es heißt, als das Jahr 1000 herannahte, hätte es alle möglichen bizarren Kulte gegeben, Dekadenz und Gewalt, und alles hing mit den Ängsten der Menschen zusammen, die Welt könnte untergehen. Ich vermute, wenn wir uns dem Jahr 2000 nähern, wird es auch so sein. Zum Teufel, es hat ja bereits angefangen.«
    »Ganz sicher hat es das«, sagte er mit leiser Stimme.
    Sie spürte, daß er ihr noch nicht alles gesagt hatte, was Grace Spiveys Glaubensbekenntnis ausmachte. Selbst in dem schwachen

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