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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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angerufen.«
    »Spiveys Kirche?«
    »Mhm. Sie war nicht da. Aber ich habe ihre Sekretärin gebeten, mir für morgen einen Termin zu machen. Sie hat nur versprochen, Henry Rankin heute abend, auch wenn es spät werden sollte, anzurufen und ihm zu sagen, wann ich kommen kann.«
    »Sie wollen die Höhle des Löwen betreten.«
    »Ganz so dramatisch und gefährlich ist das nicht.«
    »Was wollen Sie damit erreichen, wenn Sie mit ihr reden?«
    »Ich weiß nicht. Aber mir scheint es der nächste logische Schritt zu sein.«
    Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum, nahm ihre Tasse, stellte sie wieder ab, ohne zu trinken, und kaute nervös auf ihrer Unterlippe. »Ich fürchte...«
    »Was denn?«
    »Ich fürchte, wenn Sie zu ihr gehen, wird Sie sie irgendwie dazu bringen, daß Sie ihr sagen, wo wir sind.«
    »So leicht bin ich nicht zu beeinflussen«, sagte er.
    »Aber sie könnte Drogen einsetzen oder Sie foltern oder...«
    »Glauben Sie mir, Christine, ich kann auf mich aufpassen, und mit dieser alten Frau und ihren Spinnern werd' ich auch fertig.«
    Sie starrte ihn eine ganze Weile an, ohne etwas zu sagen.
    Ihre Augen wurden immer schöner.
    Schließlich sagte sie: »Das können Sie. Ich weiß es. Sie werden mit denen fertig. Ich habe sehr viel Vertrauen zu Ihnen, Charlie Harrison. Das ist ein Instinkt. Sie vermitteln mir ein gutes Gefühl. Ich weiß, daß Sie kompetent sind. Ich zweifle nicht an Ihnen. Wirklich nicht. Aber ich habe trotzdem Angst.«
    Um l Uhr 30 brachte jemand von Klemet-Harrison Charlies grauen Mercedes zu dem Haus in Laguna Beach, damit er, sobald er fertig war, nach Hause fahren konnte. Um 2 Uhr 05, müde bis auf die Knochen, sah er mit brennenden Augen auf die Uhr, meinte: »Nun, ich denke, ich werde jetzt gehen«, und ging ans Spülbecken, um seine Kaffeetasse auszuwaschen.
    Als er die Tasse zum Trocknen ins Regal stellte und sich umdrehte, stand sie am Küchenfenster neben der Tür und starrte auf die dunkle Rasenfläche hinaus. Sie hatte beide Arme über der Brust verschränkt und an sich gepreßt.
    Er trat neben sie. »Christine?«
    Sie drehte sich zu ihm herum.
    »Sind Sie okay?« fragte er.
    Sie nickte tapfer. »Nur ein leichtes Frösteln.«
    Aber ihre Zähne klapperten beim Reden.
    Er legte impulsiv die Arme um sie. Sie lehnte sich ohne das leiseste Zögern an ihn, ließ sich von ihm halten, legte den Kopf auf seine Schulter. Dann schlangen sich ihre Arme um ihn, und sie standen eng aneinandergeschmiegt da, und dieser Augenblick war für ihn das Schönste, was er je erlebt hatte. Ihr Haar lag an seiner Wange, ihre Hände auf seinem Rücken, ihr Körper schmiegte sich an ihn, und ihre Wärme durchdrang ihn. Ihr Duft erfüllte ihn. Es war schwer, sich vorzustellen, daß er sie noch nicht einmal einen Tag lang kannte. Dabei hatte er das Gefühl, er hätte sich schon sehr viel länger nach ihr gesehnt, und das hatte er natürlich auch, obwohl er erst, als er sie gesehen hatte, gewußt hatte, daß Christine es war, nach der er sich so viele Jahre gesehnt hatte.
    Er hätte sie in diesem Augenblick küssen können. Er verspürte den Wunsch und hatte den Mut, die Hand unter ihr Kinn zu legen und ihr Gesicht hochzuheben und seine Lippen auf die ihren zu pressen. Er wußte, daß sie keinen Widerstand leisten würde, es vielleicht sogar selber wünschte. Aber er begnügte sich damit, sie an sich zu drücken, weil er spürte, daß die Zeit noch nicht reif war für die Verpflichtung, die ein leidenschaftlicher Kuß bedeutete. Jetzt würde es ein Kuß sein, den sie zum Teil aus Angst, zum Teil aus dem Bedürfnis nach einer Stütze suchte. Und wenn er sie küßte, so wollte er, daß dies ein Kuß aus anderen Motiven war — Begehren, Zuneigung, Liebe. Er wollte, daß der Anfang für sie perfekt sein würde.
    Als sie ihn schließlich losließ, wirkte sie verlegen. Sie lächelte scheu und sagte: »Tut mir leid. Ich wollte nicht zittrig werden. Ich muß stark sein. Ich weiß es. In dieser Situation ist kein Platz für Schwäche.«
    »Unsinn«, sagte er mit sanfter Stimme. »Ich habe das auch gebraucht.«
    »Wirklich?«
    »Jeder braucht gelegentlich einen Teddybären.«
    Sie lächelte ihn an.
    Es war ihm zutiefst zuwider, sie jetzt zu verlassen. Den ganzen Weg zu seinem Wagen, während der Wind an seinem Jackett zerrte und der Regen auf seinen Kopf trommelte, wollte er kehrtmachen und wieder zu ihr ins Haus gehen, ihr sagen, daß sich zwischen ihnen etwas ganz Besonderes vollzog, etwas, das eigentlich nicht so schnell

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