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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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Blicken zu entgehen.«
    Er schmunzelte. »Ich halte mich gern im Hintergrund.«
    »Sind Sie ein Spion – oder etwas in dieser Art?«
    Er lachte. »Damit liegen Sie gar nicht so falsch. Sie haben einen Blick, dem nichts entgeht!«
    »Sie sind Engländer, nicht wahr? Lassen Sie mich raten! Sie sind ein Spion im Dienste der Armee?«
    »Oh, ich bewundere Ihren Scharfsinn, Mrs. Appleton! Oder ist es Ihre Intuition? Ich war tatsächlich Offizier, doch ich habe den Dienst vor zwei Jahren quittiert. Ich habe inzwischen einen zivilen Arbeitgeber. Aber bitte verstehen Sie, dass ich über die Gründe, weshalb man es für notwendig hielt, jemanden wie mich auf die Jungfernfahrt zu schicken, nicht sprechen kann. Ich habe so etwas wie eine Schweigepflicht.«
    Sie merkte, dass es sie nicht wirklich bekümmerte, wer Carran war oder was für eine Rolle er spielte. Ihr gefiel der Gedanke, dass sein Erscheinen nur dem äußeren Eindruck nach ein Zufall war, während in Wahrheit ein ihr vorbestimmtes Schicksal diesen Winkelzug getan hatte, um ihr den ersehnten Retter an die Seite zu stellen.
    »Sie sind demnach kein normaler Passagier, sondern in einer offiziellen Funktion an Bord dieses Schiffes?«
    »Ich will es nicht bestreiten«, gab er ausweichend zu.
    »Sie stellen Ermittlungen an, nicht wahr? Sind Sie so etwas wie ein Detektiv?«
    »Ein Detektiv, ja, meinetwegen. Ein geheimer Detektiv.«
    Sie musterte eine Weile sein schönes Gesicht.
    »Ein Detektiv also! Das gefällt mir! Ich hoffe trotzdem, Sie müssen nicht ermitteln, während wir auf See sind. Ich brauche nämlich einen Beschützer, der auf mich aufpasst. Bisher habe ich zwar geglaubt, ich bräuchte keinen, aber ich habe mich geirrt.«
    »Jeder Mann würde sich darum reißen, diese Rolle für eine schöne Frau, wie Sie es sind, zu übernehmen.«
    »Mag sein, aber ich nehme nicht jeden Mann. Bisher habe ich alle diesbezüglichen Angebote abgelehnt.«
    »Wo ist Ihr Gatte?«, fragte er. »Wie kommt es, dass er Sie nicht begleitet?«
    Sie wollte ihn nicht belügen – ihn nicht.
    »Er ist tot«, sagte sie. »Den anderen Passagieren habe ich erzählt, er sei plötzlich erkrankt. Er war auch nicht mein Mann, sondern mein Geliebter. Eigentlich bin ich nicht Misses, sondern Miss Appleton. Doch ich ziehe es vor, die Männer an Bord glauben zu lassen, ich wäre verheiratet.«
    Er sah sie lange an, und sie empfand seinen Blick als zärtlich und warm, wenn auch nicht ohne gewisse Distanz. »Aufzupassen ist mein Beruf«, sagte er. »Ich muss meine Augen offen halten, wo immer ich auf diesem Schiff auch bin. Ich glaube, das qualifiziert mich für die Rolle, die Sie mir zugedacht haben.«
    »Jemanden wie Sie habe ich mir als Beschützer gewünscht«, sagte sie mit entwaffnender Direktheit. »Sie sollen mich allerdings nicht nur bewachen, sondern …«
    Er starrte sie an. »Sondern …«
    »Nun, das, was Sie jetzt eben tun. Mit mir zusammen etwas unternehmen, mit mir ein Glas Champagner trinken, mich als meinen Tisch- und Tanzpartner zu den Bordfesten begleiten. Und alles andere, was sich eine Dame von einem Herrn so wünscht …«
    Er lächelte und griff nach ihrer Hand, und sie erwiderte deren Druck ganz fest.
    »Ich werde Ihnen jeden Ihrer Wünsche erfüllen«, erwiderte er mit festem Blick, und sein Gesicht wurde wieder ernst. »Glauben Sie wirklich, dass jemand auf dem Schiff ist, der Sie umbringen will?«, fragte er. »Ich muss wissen, wer Ihre Feinde sind, um besser für Ihre Sicherheit sorgen zu können.«
    Ein beunruhigender Gedanke stieg plötzlich in ihr auf: War es denkbar, dass ihr neuer schöner Bekannter mit ihrem maskierten Verfolger in irgendeiner Verbindung stand? War dies der Grund, weshalb er gerade im rechten Moment an ihrer Seite aufgetaucht war, um sie zu retten?
    »Ich war Zeugin eines Mordes«, sagte sie.
    Er betrachtete sie eine Weile stumm. »Wer wurde ermordet?«, fragte er.
    »Ein Freund. Mein Geliebter, um bei der Wahrheit zu bleiben, der Mann, von dem ich eben sprach.«
    Sie merkte, dass es überhaupt keine Rolle für sie spielte, auf welcher Seite er stand. Selbst wenn er einer ihrer Verfolger war, könnte das an ihrer Haltung ihm gegenüber kaum etwas ändern. Er war nicht Frank Jago, sondern ein Mann, den sie lieben könnte; und nur das allein zählte.
    »Wo und wann geschah das?«, fragte er.
    »Vor drei Tagen, am Dienstagabend in London, es war der Vorabend der Abreise aus Southampton.«
    »Und am nächsten Morgen sind Sie auf die Titanic

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