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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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Tag bezaubernder aus, obwohl man meinen möchte, dass eine Steigerung gar nicht mehr möglich ist«, sagte er, als er sie erblickte. »Bitte, gestatten Sie mir, dass ich endlich ein paar Fotos von Ihnen machen darf.«
    Gladys merkte zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie nichts mehr dagegen einzuwenden hätte, wenn Fotos von ihr in der Zeitung erscheinen würden.
    »Sie dürfen, lieber Mr. Raubold«, lachte sie. »Machen Sie so viele Fotos von mir, wie Sie wollen.«
    Es war unsinnig gewesen, sich deshalb Sorgen gemacht zu haben, sagte sie sich jetzt. Man wusste ohnehin, dass sie auf der Titanic war. Sie hatte nichts mehr zu verbergen.
    Raubold strahlte und packte den Fotoapparat aus. Dann gab er ihr Anweisungen, wo sie sich hinstellen und welche Haltung sie einnehmen sollte, damit die Aufnahmen als besonders gelungen gelten konnten, und als er nach einer Viertelstunde zufrieden war, hatte er reichlich Aufnahmen von ihr im Kasten.
    »Was werden Sie in New York tun?«, fragte er. »Ich meine, nach der Hochzeit Ihrer Freundin? Kehren Sie sofort wieder nach England zurück?«
    »Sicher nicht. Warum fragen Sie?«
    »Ich möchte Ihnen gern New York zeigen«, sagte er. »Obwohl ich Deutscher bin, kenne ich die Stadt fast besser als meine Hamburger Heimat – und besser als die meisten New Yorker sowieso. Einen besseren Fremdenführer als mich werden Sie in New York nicht finden.«
    »Warum nicht«, gab Gladys zurück. »Sie müssen mir Ihre Adresse aufschreiben.«
    »Das habe ich bereits getan«, sagte Raubold und reichte ihr ein Papier. »Es ist die Anschrift meines Nachrichtenbüros. Dort wohne ich auch, wenn ich in New York bin. Werden Sie in einem Privatquartier untergebracht sein oder in einem Hotel übernachten?«
    Sie nannte Raubold das Waldorf Astoria, in dem Phil ein Zimmer für sie beide gebucht hatte. Ob sie sich wirklich in dieses Hotel begeben würde, wusste sie noch nicht, aber es gab keine andere Adresse, die sie ihrem Reisebekannten hätte nennen können.
    »Ich werde dort spätestens am nächsten Sonnabend nach Ihnen fragen«, sagte Raubold.
    »Prima«, erwiderte Gladys. »Also heute in einer Woche im Waldorf Astoria.«
    War das nicht das Datum der Hochzeit ihrer angeblichen Freundin, fiel ihr ein. Ach egal, sie wusste es nicht mehr. Ohnehin nahm sie die Verabredung mit Raubold im Moment nicht sehr ernst. New York lag für sie noch in weiter Ferne. Bis Mittwoch, dem vorgesehenen Ankunftstag, waren es vier Tage, und jetzt wollte sie lieber die verbleibenden Tage auf See genießen. Wie sich die Dinge in New York weiterentwickeln würden, erschien ihr vorerst ebenso ungewiss wie bedeutungslos.
    »Noch etwas«, sagte Raubold. »Am Sonntagabend um neun Uhr soll im Café Parisien ein kleiner Ball stattfinden. Die Bordkapelle spielt zum Tanz. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie meine Tischdame sein würden.«
    Gladys zögerte. »Ich tanze leidenschaftlich gern«, sagte sie dann aber zu. »Natürlich werde ich Ihre Tischdame sein.«
    Beim Mittagessen kamen die Astors an ihren Tisch. Madeleine hatte ihr die Bolerojacke, die sie auf der Séance zurückgelassen hatte, mitgebracht.
    »Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sich Madeleine bei ihr und schenkte ihr ein wie um Verzeihung bittendes Lächeln. »Ich hatte den Eindruck, dass Ihnen die Séance nicht gut gefallen hat?«
    »Ich ziehe andere Arten von Abendunterhaltung vor, das habe ich gestern gelernt«, erwiderte Gladys, »aber machen Sie sich keine Gedanken. Ich habe den Spuk schon wieder vergessen.«
    »Sie haben recht, es war ein Spuk, nichts anderes. Sie nehmen es mir übel, dass ich Sie zur Teilnahme an der Séance überredet habe?«
    »Es war doch nicht Ihre Schuld, Madeleine. Ich bin ein erwachsener Mensch.«
    Am Nebentisch saßen Garfield und der Okkultist Faussett beisammen. Kurz darauf kam der Reeder Karl Barrett hinzu. An den spöttischen Blicken und der Art, wie die drei leise miteinander sprachen, sah Gladys, dass wohl sie Thema ihrer Unterhaltung war. Wie gleichgültig war ihr inzwischen das Gerede der anderen Passagiere über sie! Mochten sich die Herren nur das Maul über sie zerreißen. Diese Leute nahmen sich einfach viel zu ernst.
    Als sie nach dem Essen über das Deck schlenderte, kam sie mit zwei amerikanischen Frauen ins Gespräch, die offenbar Freundinnen waren, eine war auf dem Rückweg von England nach Indien, die andere Lehrerin in Amerika, ein anmutiges Mädchen mit einer bemerkenswerten Ausstrahlung. An der Unterhaltung nahm auch ein

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