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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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bekannt, dass die Titanic nur etwa 6000 Tonnen Kohle an Bord hat«, sagte er. »Eigentlich sollte sie 9500 Tonnen Kohle aufgenommen haben. Doch es gab einen Kohlearbeiterstreik, weshalb man nicht vollständig Kohle aufnehmen konnte, wollte man den Abfahrtstermin nicht gefährden.«
    »Reicht die Kohle etwa nicht bis New York?«
    »Wenn das Schiff keinen Umweg machen muss, wird sie reichen. Aber man wusste schon vor Reisebeginn, dass Gefahren durch ein Eisfeld auf das Schiff zukommen können, das man aber wegen Kohlemangel nicht südlich umfahren kann. Angesichts der bekannten Eissituation ist dies eine weitere Verantwortungslosigkeit.«
    »Dann muss man eben mit langsamer Geschwindigkeit durch das Eisfeld hindurchfahren.«
    »Ja! Doch offenbar geht man lieber das Risiko einer Beschädigung des Schiffes ein, als den Erfolg der Reise zu gefährden.«
    »Wenn es zu einem Schaden kommt, ist die Reise kein Erfolg.«
    »Natürlich nicht – aber wenn man zu langsam fährt, ist sie es auch nicht. Folglich setzt eine ganz simple Überlegung ein. Man sagt sich, dass das Risiko eines Schadens zwar vorhanden ist, aber doch recht gering, ein Misserfolg also unwahrscheinlich. Fährt man aber langsam, ist der Misserfolg garantiert.«
    »Ich kann nicht glauben, dass der Kapitän das Leben seiner Passagiere gefährden wird.«
    »Das Problem auf diesem Schiff ist Joseph Bruce Ismay, der Generalmanager der IMM und Direktor der White-Star-Line, der die erste Fahrt der Titanic als Passagier begleitet. Allein seine Anwesenheit an Bord muss den Kapitän ständig daran erinnern, wie das Ergebnis der Jungfernfahrt auszusehen hat. Es ist nicht einfach für einen Kapitän, stark zu sein, wenn der Chef der Reederei einen ständig im Auge hat.«
    »Dann muss man diesen Mr. Ismay an seine Verantwortung für das Wohl seiner Kunden gemahnen.«
    »Er bestreitet, dass er sich in die Belange des Kapitäns einmischt. Aber in Wahrheit ist ihm das wirtschaftliche Wohl seiner Gesellschaft näher als das Wohl der Passagiere.«
    »Er ist selbst ein Passagier.«
    »Er verkennt die Gefahr. Die Geschichte der White-Star-Line ist eine Kette von Unfällen und Katastrophen, zweifelhaften oder illegalen Geschäftsmethoden, Schlamperei, Rücksichtslosigkeit und Pech. Lord Pirrie, einer der Direktoren von IMM, der die White-Star-Line gehört, ist zugleich Vorstandsmitglied von Harland and Wolff, deren Hauptkunde die White-Star-Line ist. Lord Pirrie war es auch, der J.P. Morgan dazu ermutigte, die White-Star-Line in den IMM-Konzern aufzunehmen. Er überzeugte Morgan, in die gigantischen neuen Schiffe von Harland and Wolff zu investieren. Doch die White-Star-Line erlitt einen Schaden nach dem anderen. Besonders der Unfall der Olympic im vergangenen Jahr verursachte immens hohe Kosten.«
    »Aber alles redet doch von der Titanic!«, erwiderte Gladys. »Sollte sie nicht das größte und prunkvollste Schiff der Welt sein, noch herrschaftlicher eingerichtet als die deutschen Liner und selbst die Olympic, ihre eigene Schwester?«
    »Die Wahrheit kehrt man unter den Tisch«, sagte Roger und setzte sich ein Stück auf. »Die White-Star-Line hat die meisten Unfälle der führenden Transatlantik-Schifffahrtsgesellschaften zu verzeichnen und braucht dringend Geld oder jedenfalls einen schnellen wirtschaftlichen Erfolg. Mr. Ismay quälen insgeheim große Sorgen, denn der White-Star-Line geht es nicht gut. Die Kosten für den Bau der Titanic waren höher als kalkuliert. Einige Leute munkeln, die White-Star-Line stünde vor dem Bankrott.«
    Gladys seufzte resigniert und schüttelte den Kopf.
    »Du hast von einer geheimen Beschädigung gesprochen – was hat es damit auf sich?«
    »Es ist auffällig, dass das Schiff trotz ruhiger See immer leicht nach Backbord geneigt ist«, sagte Roger.
    »Stimmt! Das ist mir auch schon aufgefallen. Das ist also nicht normal?«
    »Ganz gewiss nicht.«
    »Was bedeutet es?«
    »Die Neigung könnte auf ein Leck zurückzuführen sein, das sich im Heck des Schiffes befindet«, sagte Roger. »Ich habe ein paar vorsichtige Erkundigungen eingezogen, und sowohl mit Heizern als auch mit Offizieren gesprochen. Alle weisen entsprechende Vermutungen zurück. Niemandem ist angeblich etwas von einem Leck bekannt. Aber das bedeutet nichts. Es herrscht eine merkwürdige Geheimniskrämerei an Bord. Immerhin haben meine Gespräche einige weitere Tatsachen zu Tage gefördert, die nicht zu meiner Beruhigung beitragen.«
    »Und die wären?«, fragte sie.
    »Bei der

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