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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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sie glücklich.«
    »Zum Glück habe ich keinen guten Ruf zu verlieren«, lächelte Gladys. »So lebt es sich viel freier. Ja, und ich bin deine Frau, und es ist nichts Unrechtes an dem, was wir miteinander tun.«
    Er drückte ihre Hand, und sie freute sich königlich darüber, dass auch ihr Gefährte über das Getuschel an den Nachbartischen lachen konnte.
    Sie verließen den Saal und gingen an Deck.
    »Welch milde Luft«, sagte Gladys. »Kein Eis weit und breit.«
    »Das besagt nicht viel«, erwiderte Roger Carran. »Die Veränderungen auf dem Meer können sich mit einer Geschwindigkeit ereignen, die man als Bewohner des flachen Landes kaum für möglich hält. Spätestens am Abend werden die Temperaturen deutlich fallen.«
    Gladys drängte sich in seinen Arm.
    »Ach, Liebster, komm, lass uns in die Kabine gehen, bevor die Temperaturen fallen. Die Kabine ist gut geheizt.«
    Roger drückte sie an sich.
    »Du hast recht. Wenn die Leute schon über uns tuscheln, sollen sie wenigstens mit ihren Vermutungen, dass wir uns im Bett miteinander vergnügen, recht behalten.«
    Es war schon Nachmittag, als Roger aufstand, um sich anzukleiden.
    »So schwer es mir fällt, aber ich habe meine Arbeit zu erledigen«, sagte er. »Heute ist ein wichtiger Tag. Wenn wir die kommende Nacht überstanden haben, wird der Rest der Reise gefahrlos sein.«
    »Heute Nacht bist du wieder bei mir, mein Liebster. Schon jetzt kann ich es kaum erwarten, in deinen Armen zu sein.«
    Er kam noch einmal ins Bett zurück und presste sie fest an sich.
    »Ich werde mich von nun an jeden Tag meines Lebens um dich kümmern, Gladys, und dich nie länger als für ein paar Stunden verlassen.«
    »Ich dich auch nicht, Roger«, flüsterte sie. »Ich liebe dich.«
    Eine halbe Stunde, nachdem er gegangen war, stand Gladys auf und zog sich an, dann verließ sie die Kabine für einen Spaziergang durch das Schiff.
    Die Titanic fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit durch die schwach bewegte See. Die Sicht reichte weit bis zum Horizont. Auf dem Freideck war es kälter geworden, aber davon abgesehen war es ein ruhiger und sonniger Reisetag, fast zu schön für die Jahreszeit und das Seegebiet. Nordamerika war nahe gekommen; so nahe, dass die Funker bald mit den Landstationen auf Neufundland in Verbindung treten konnten.
    Während sie über das Promenadendeck ging, erblickte sie den Reeder Ismay, der mit ein paar Passagieren sprach. Ihre Neugier regte sich, als sie Kapitän Smith bemerkte, der sich der Gruppe um Ismay näherte, und sie verharrte einen Augenblick an der Reling, um die Gruppe zu beobachten. Smith blieb neben dem Reeder stehen und reichte diesem ein Schriftstück, offenbar ein Telegramm. Dann ging der Kapitän weiter, wortlos, wie es schien, und Gladys war es, als wäre er auf den Reeder nicht gut zu sprechen.
    Nun löste sich auch Ismay aus der kleinen Gruppe und schlenderte mit dem Telegramm in der Hand in ihre Richtung. Als er Gladys erkannte, hielt er inne und sagte, während er das Telegramm in der Hand wedelte:
    »Wir haben gerade Nachricht erhalten, dass wir zwischen Eisbergen sind.« Er sagte dies in einem Tonfall, als handle es sich bei der Nachricht um eine interessante, aber letztlich belanglose Neuigkeit.
    »Oh, dann wird der Kapitän sicher mit der Geschwindigkeit heruntergehen«, sagte Gladys.
    »Nein, nein«, erwiderte Ismay, »wir werden mehr Kessel in Betrieb nehmen und daraus herauskommen.«
    »Aus dem Eisfeld?«
    »Ja, wenn wir mit der Geschwindigkeit zulegen, sind wir schneller durch.«
    »Je höher die Geschwindigkeit umso größer ist doch die Gefahr einer Kollision!«, entgegnete Gladys stirnrunzelnd.
    Ismay schüttelte den Kopf.
    »Je mehr Zeit vergeht, umso größer wird das Problem mit dem Eis. Je früher wir es hinter uns lassen, umso besser ist es für das Schiff.«
    Sie machen also das Gegenteil, dachte Gladys, und erhöhen die Geschwindigkeit. Sie wollte den Reeder gerade fragen, ob er es war, der den Kapitän angewiesen hatte, schneller zu fahren, da kam Mrs. Widener um die Ecke.
    »Wann werden wir die Eisberge sehen?«, fragte sie Mr. Ismay. Offenbar hatte sie etwas mitbekommen.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Ismay unwillig. »Ich hoffe gar nicht.«
    »Sie müssen den Kapitän anweisen, die Geschwindigkeit zu drosseln, Mr. Ismay!«, versuchte Gladys es noch einmal.
    Der Reeder zuckte mit den Achseln und wandte sich ab, als wolle er weiteren Erörterungen ausweichen, und bevor Gladys nachsetzen konnte, entfernte er sich

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