Todeseis
wohlauf ist, gibt es keinen Grund, dass du Rache an mir nimmst und mich quälst«, sagte sie, ohne dass sie viel Hoffnung hatte, er könne ihre Argumente verstehen.
»Rede keinen Unsinn! Er hat Glück gehabt«, sagte er. »Was du getan hast, ist ungeheuerlich. Für diese Tat wirst du büßen.«
»Ich wollte ihn nicht töten.«
Er lachte.
»Das sagt man immer, wenn es schiefgegangen ist. Spar dir deine Erklärungen, es kommt ohnehin nicht darauf an. Du bist dem Tod geweiht und wirst ihn noch in dieser Nacht erleiden.«
»Warum?«
»Es gibt so viele Gründe, dass es mir fast schwerfällt, sie alle aufzuzählen. Den ersten Grund habe ich dir genannt. Der zweite ist, dass du eine Zeugin bist, die unsere Pläne vereiteln könnte.«
»Ich kenne eure Pläne nicht und will sie auch nicht kennenlernen.«
»Du kennst sie sicher, oder du könntest helfen, dass andere dahinterkommen. Du weißt, weshalb Phil sterben musste.«
Eine Weile war sie still.
»Ich habe keine Ahnung. Es interessiert mich auch nicht.«
»Du wirst es erfahren.«
»Nein«, schrie sie. »Ich will es nicht wissen.«
Ein weiteres Mal schlug er ihr ins Gesicht.
»Hör auf zu schreien, sonst bekommst du den Knebel.«
Allmählich versiegte der Strom ihrer Tränen.
Der Maskierte wandte sich seinem Helfer zu.
»Wir verschwenden nur unsere Zeit. Fessle ihre Füße, Nevil. Dann schneide ihr das Kleid vom Leib und verschnüre sie fest. Wir werfen sie über Bord.«
Nevil hielt schon einen Strick bereit, er kniete nieder, streifte ihr die Schuhe ab und band ihre nackten Fußgelenke fest zusammen.
»Um Gottes willen«, heulte Gladys auf. »Ihr wollt mich doch nicht wirklich ins Wasser werfen!«
»Meine Kabine hat ein kleines privates Deck«, sagte der Maskierte. »Schwupp, und du bist verschwunden.«
»Es könnte jemand sehen.«
»Das ist unwahrscheinlich«, entgegnete der Maskierte. »Das Schiff macht eine gute Geschwindigkeit. Außerdem haben wir Neumond. Man sieht das Wasser von oben nur schlecht.«
»Man wird nach mir suchen.«
»Ach, du stehst nicht einmal in der Passagierliste. Du hast selbst dafür gesorgt, dass Mrs. Phil Ryland nicht darin geführt wird. Und dass dein angenommener Name daraus verschwindet, dafür haben Nevil und ich bereits Vorsorge getroffen.«
»Mein Geliebter wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn ich verschwunden bin.«
Der Maskierte wandte sich an seinen Kumpan.
»Hat sie hier an Bord auch schon einen Geliebten?«
»Sie hat einigen Männern an Bord den Kopf verdreht und turnt durch die Betten der reichen Passagiere, wie sie es nicht anders kennt. Ihr letzter Geliebter war ein Mr. Carran – mit dem hat sie es letzte Nacht ziemlich wild getrieben. Man hat es bis draußen auf den Gang gehört. Falls er Schwierigkeiten macht, sollten Sie sich um ihn kümmern.«
»Morgen ist schon Montag, und am Dienstagnachmittag sind wir in New York. Wegen einer Hure, die sich an Bord geschlichen hat, um die reichen Passagiere auszunehmen, wird niemand viel Aufhebens machen. Darüber mache ich mir keine Sorgen.«
Nevil zog einen Stuhl heran und kletterte hinauf, um den Strick von der Decke zu lösen.
»Halt!«, rief Gladys, bevor es soweit war, und wandte ihr Gesicht in Richtung des Maskierten. »Wer sind Sie überhaupt? Nehmen Sie die Maske ab, Sie Feigling! Sie haben mir versprochen, mir die anderen Gründe zu nennen. Was haben Sie mit Frank Jago zu tun?«
Sie musste Zeit gewinnen, irgendwie das Ende hinausschieben, und in ihrer Verzweiflung kam ihr sogar der Gedanke, ob sie den Männern nicht freiwillig ihren Körper anbieten sollte. Roger würde inzwischen gewiss nach ihr suchen. Aber konnte er sie überhaupt in der Kabine dieses Wahnsinnigen finden?
»Frank ist mein Schwager«, antwortete der Maskenmann, »und mein Partner. Ich habe in Queenstown eine Nachricht von ihm erhalten – ein Gewährsmann hat mir seine Botschaft überbracht. Daher wusste ich, dass du ihm Gift verabreicht hast.«
»Warum habt ihr euch gegen Phil verbündet?«
»Wir?« Er lachte höhnisch. »Ryland hat sich mit Astor gegen uns verbündet! Oder er hat es wenigstens versucht. Der Narr wollte das Geschäft allein machen.«
»Astor? Was hat Astor damit zu tun?«
Ihr Peiniger blickte sie eine Weile stumm an.
»Nun gut«, sagte er nach einer Weile. »Warum sollst du es nicht erfahren: Wir planen die Gründung einer deutsch-amerikanischen Transatlantiklinie. Dafür benötigen wir Astors Geld. Weil er nicht als Eigner oder Mitgesellschafter
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