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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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sie offenbar hierhergebracht hatten. Es waren zwei Männer; der eine saß in einem Sessel, der andere dahinter etwas versetzt auf einer Couch.
    Der Mann im Sessel war der Kabinensteward Nevil Boyes, das Gesicht des anderen, der auf der Couch saß, war nicht zu erkennen, denn es war maskiert. Der Maskierte, dachte sie erschrocken, sie war in der Hand ihres geheimnisvollen Verfolgers, und dieser besaß einen Helfer in Gestalt des Kabinenstewards, der auch für ihre eigene Kabine zuständig war.
    »Was haben Sie mit mir gemacht?«, gelang es ihr endlich zu fragen.
    »Ich hatte Mr. Boyes gerade den Auftrag gegeben, dich vollständig zu entkleiden, Schöne, aber da wurdest du wach, und so haben wir dich erst einmal auf deine Füße gestellt. Aber auch so bietest du einen recht reizenden Anblick.«
    »Entkleiden? Warum wollen Sie mich entkleiden?« Gladys stöhnte auf. »Ihr Schufte! Wollt ihr euch an mir vergehen?«
    »Nicht doch!«, lächelte der Maskierte. »Wir sind Gentlemen! Auch wenn’s einem bei deinem Anblick ziemlich schwerfällt, sich in Zurückhaltung zu üben. Du bist wirklich ein absoluter Leckerbissen.« Er blickte zur Seite. »Aber es bleibt dabei, wir sind ehrenwerte Männer, nicht wahr, Mr. Boyes?«
    Das langsame Kopfnicken fiel dem Angesprochenen sichtlich schwer.
    »Ich bin Engländer!«, sagte Nevil dann. »Mit Leib und Seele! Und ein Engländer kann sich beherrschen!«
    »Dann machen Sie mich los, Sie aufrechter Engländer!«, rief Gladys wütend. »Gehört es sich etwa für einen guten Engländer, eine Dame so zu behandeln, wie Sie es gerade mit mir tun?«
    »Eine Dame?«, feixte der Maskierte. »Na ja! Mit deiner Schönheit nehmen es nur wenige Damen auf – doch du bist keine Dame, sondern eine Hure, die ihren Luxuskörper für teures Geld an den Meistbietenden verkauft!«
    »Und du bist ein Feigling, der sich an schwachen Frauen vergreift!«, schrie Gladys zurück.
    Der Maskierte erhob sich aus seinem Sitz, trat vor sie und schlug ihr links und rechts ins Gesicht. Ihre Wangen brannten.
    »Wenn du es noch einmal unternehmen solltest, mich anzuschreien, werde ich dir den Mund zubinden lassen!«
    Gladys bemühte sich, seine Stimme einzuordnen, aber es gelang ihr nicht. Sie blickte nach oben und versuchte, die Zeiger ihrer Uhr an ihrem Arm zu erkennen, aber die Seite mit dem Zifferblatt war auf die Innenseite des Armes verrutscht, und deshalb gelang es ihr nicht.
    »Wie spät ist es?«, fragte sie.
    »Der Tag neigt sich dem Ende zu«, sagte der Maskierte. »Ebenso wie dein Leben. Es ist halb zwölf.«
    Halb zwölf! Sie musste länger als eine halbe Stunde ohnmächtig gewesen sein.
    »Machen Sie mich bitte los!«, sagte sie, und obwohl sie versuchte, einen energischen Ton anzuschlagen, klang es mehr wie ein Flehen als wie ein Befehl.
    Der Maskierte lachte, drehte sich fort und setzte sich auf das Sofa zurück.
    »Nevil! Tu ihr den Gefallen! Binde den Strick los und schnür ihn ihr um den Leib«, sagte er. »Aber zieh ihr vorher das Kleid aus!«
    »Ich denke, ihr seid Ehrenmänner! Lasst mir mein Kleid!«
    Der Maskierte seufzte. »Im Atlantik brauchst du kein Kleid.«
    Ein Wahnsinniger, dachte sie, der Freude daran fand, ihr Angst einzujagen.
    »Was habt ihr mit mir vor?«
    »Geduld, meine Schöne«, sagte der Maskierte.
    »Ich bin nicht deine Schöne.«
    »Doch! Du bist das schöne Opfer, das ich mir ersehnt habe.«
    »Opfer?«
    »Ja, Opfer! Du wirst noch in dieser Nacht sterben!«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein! Das werde ich nicht! Warum sollte ich sterben? Was habe ich Ihnen getan?«
    »Du kennst die Antwort!«
    »Sie reden ja Unsinn! Ich weiß überhaupt nichts.«
    In den Augen des Maskierten, die durch die Schlitze blitzten, schimmerte etwas Tückisches auf, als ob ihm ein böser Gedanke gekommen war.
    »Es gibt mehrere Gründe, weshalb du sterben musst!«, sagte er nach einer Weile. »Nun, vielleicht kennst du nicht alle Gründe! Aber einen Grund kennst du, schöne Lady! Die anderen werde ich dir noch nennen! Du sollst erfahren, wofür dein Opfer erforderlich ist.«
    Gladys sagte nichts. Sie musste Zeit gewinnen. Es war ihre einzige Chance.
    »Erinnerst du dich an deinen letzten Abend in London?«, fragte der Maskierte süffisant. »Es ist noch keine Woche her.«
    Sie sagte nichts, und der Maskierte stand wieder auf.
    »Nevil, wie können Sie mir so etwas antun?«, rief Gladys dem Steward zu, auf den sie den ihr verbliebenen Rest von Hoffnung setzte. »Ich hielt Sie für einen

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