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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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Geld befand sich in seiner Unterkunft, verschlossen in seinem Spind, und das musste er schnell holen, ebenso warme Kleidung, und dann würde er sich darum kümmern, dass er schleunigst von der Titanic verschwand.
    Während er zu den Treppen eilte, dachte er wieder an die schöne Gladys Appleton. Wahrscheinlich würde der Irre versuchen, sie allein über die Reling zu werfen, wenn er nicht wiederkam, überlegte er. Ob dem Verrückten das wohl allein gelang? Die Frau tat ihm fast ein wenig leid, so schön wie sie war, aber für ihn selbst wäre es tatsächlich das Beste, wenn sie zusammen mit diesem Verrückten unterging. Sollte der Verrückte ruhig weiter seinen aberwitzigen Plan verfolgen! Bald schon würde es an Bord der Titanic keine Boote mehr geben, und nicht nur Gladys Appleton, sondern auch dieser Sadist würde zusammen mit vielen anderen Passagieren ersaufen. Er stieg über die Mannschaftstreppen in die Tiefe, wo ein viel besseres und rascheres Fortkommen als auf den Gängen und Treppen der Passagiere war.
    Seine Kammer lag auf dem F-Deck, gleich neben dem türkischen Bad, einer Reihe prächtiger Räume in einem feudal anmutenden Stil. Der Mosaikboden, die blaugrün gekachelten Wände, die vergoldeten Trägerbalken in der mattroten Decke, die mit geschnitztem Teakholz umkleideten Stützen – alles war noch völlig trocken.
    Doch als er ein paar Meter weit den Gang entlanggegangen war, sah er etwas höchst Merkwürdiges: ein dünnes Bächlein plätscherte die Treppe vom E-Deck herunter. Das Wasser war kaum mehr als einen Zentimeter hoch und bedeckte gerade eben den flachen Absatz seiner Schuhe, als er die Treppe hinaufplatschte, um zu sehen, woher das Wasser kam. Als er das E-Deck erreicht hatte, erkannte er, dass das Wasser von der vorderen Steuerbordseite herüberdrang. Er erriet, was geschehen war. Das Wasser vorn auf dem F-Deck, dem der Weg durch das wasserdichte Schott versperrt war, war bis zum E-Deck gestiegen, wo es kein Schott mehr gab, und lief jetzt über in die nächste Kammer.
    Schnell lief er zum F-Deck zurück und stand kurz darauf vor seiner Kajüte. Der Anblick des Wassers hatte ihn unruhig werden lassen, und seine Hände zitterten, als er die Tür aufschloss. Er musste dieses Deck schnell wieder verlassen, denn die Ereignisse beschleunigten sich. Es würde nicht mehr lange dauern, bis das Wasser stieg. Er fingerte nach dem kleineren Schlüssel und öffnete den Spind. Der Anblick des Geldes hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn und ließ ihn aufatmen. Er stopfte das Geld in einen Brustbeutel, den er im Spind aufbewahrte, hängte diesen um und schob ihn unter Jacke und Hemd. Dann schlüpfte er in seinen Mantel und zog noch seine Schwimmweste darüber. Er war noch dabei, die Bänder der Weste zuzubinden – da hörte er plötzlich ein Geräusch.
    Er drehte sich um und starrte direkt in die Mündung einer Pistole. Vor ihm stand der Reeder Karl Barrett, sein Auftraggeber, der statt seiner Maske nun Hut und Mantel trug.
    »Sie?«, entfuhr es Nevil. »Was machen Sie hier?«
    »Was Sie hier machen, kann ich sehen!«, entgegnete Barrett. »Sie wollen sich davonmachen, Sie Schuft!«
    »Unsinn! Wir sind hier auf einem Schiff! Ich wollte mir nur einen warmen Mantel holen. Ich war schon fast auf dem Rückweg zu Ihnen.«
    »Das ist eine Lüge! Du wolltest in ein Boot! Ich war kurz oben an Deck, ich weiß, was los ist.«
    Nevil blieb eine Weile stumm und blickte in die kalten Augen seines Gegenübers und dann in die schwarze Mündung der Pistole, deren Lauf nun unmittelbar auf seine Stirn gerichtet war.
    »Nehmen Sie die Waffe runter«, sagte er mit unsicherer Stimme. »Es ist nicht notwendig, dass Sie mit dem Ding vor meinen Augen herumspielen.«
    »Ich spiele nie«, sagte Barrett und lächelte grausam.
    Die Mündung bewegte sich keinen Zentimeter von seiner Stirn fort, und Nevil hob langsam die Hand, um dem auf ihn gerichteten Lauf eine andere Richtung zu geben, doch der Lauf wich nur einen Moment aus und kehrte dann, als Nevil die Hand wieder sinken ließ, in seine ursprüngliche Stellung zurück. Nevil starrte entsetzt auf die schwarze Mündung, als diese erneut mitten vor seiner Stirn zum Stillstand kam.
    »Okay«, sagte er kleinlaut. »Gehen wir zu der jungen Lady zurück.«
    Sein letztes Wort war noch nicht verklungen, da krachte der Schuss. Mitten in die Stirn getroffen sank der Steward Nevil Boyes tot zu Boden.
     
    *
     
    Raubold warf einen Blick in den Rauchsalon der ersten Klasse, wo einige

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