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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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sechste Offizier unter den Augen von Kapitän Smith.
    Wenn sie schon die Boote wegschicken, könnten sie ruhig ein paar mehr Leute hineinlassen, dachte Nevil, der wusste, dass es in den Rettungsbooten nicht genügend Plätze für alle Passagiere gab.
    Das Boot fierte ab, ohne die Männer, die zum Einsteigen bereitstanden, aufzunehmen; dabei wäre für jeden Gatten und Vater noch Platz gewesen. Einige Stewards meldeten sich freiwillig, um für die Boote eingeteilt zu werden, als sei es eine gute Tat, zusammen mit den Frauen und Kindern aufs Meer hinaus zu gehen. Allein die Behauptung, sie könnten mit dem Ruder umgehen, reichte, dass man einige von ihnen für das nächste Boot einteilte.
    Nevil bewegte sich von der Backbordseite fort und wanderte zurück nach Steuerbord. Auch Murdoch hatte Schwierigkeiten, die Boote zu besetzen. Obwohl auch hier zuerst die Frauen und Kinder kamen, ließ Murdoch anders als auf der Backbordseite, wo Lightoller keinem erwachsenen männlichen Passagier gestattete, in das nur teilweise gefüllte Boot zu gehen, auch Männer einsteigen, wenn noch genug Platz im Boot war und keine weiteren Frauen und Kindern bereitstanden. Nevil hatte genug gesehen. Er zweifelte nicht mehr daran, dass die Titanic im Sinken begriffen war. Es war alles nur eine Frage der Zeit, und dass rechtzeitig Hilfe in Gestalt anderer Schiffe die Titanic erreichen würde, erschien ihm mehr als ungewiss. Doch er würde kein Narr sein und tatenlos abwarten, bis das Schiff unterging, dachte er bei sich. Er musste handeln, das war ihm nun klar, und das bedeutete für ihn, dass er zusehen musste, schnellstens in eines der Rettungsboote zu gelangen. Doch was, fragte er sich, sollte mit Gladys Appleton geschehen? Der verdammte Eisberg hatte alles verdorben! Die ganze Aktion dauerte schon viel zu lange, und es erschien ihm zweifelhaft, ob es seinem Chef überhaupt noch gelingen konnte, die Dame rechtzeitig zu beseitigen. Was also sollte er tun? Gab es überhaupt einen Grund, in die Kabine seines Auftraggebers zurückzugehen? Nein! Der Mann, für den er arbeitete, war eindeutig verrückt! Anstatt sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, beharrte Barrett uneinsichtig auf seinem alten Plan. Aber nicht auf seinem Rücken, sagte er sich. Nein! Sein Entschluss stand jetzt fest. Sollte dieser Verrückte doch an seinem Plan festhalten, bis er zusammen mit der Frau, von deren Tod er so besessen war, unterging. Am besten, er ging selbst sofort zum nächsten Boot und gab sich als erfahrener Ruderer aus. Falls er dort nicht zum Zug kommen sollte, könnte er es bei Murdoch auf der anderen Seite versuchen. Irgendwie würde er schon ein Plätzchen ergattern. Während er über die Kante des Bootsdecks sah, beobachtete er, wie das nächste Boot zum Ablegen bereit gemacht wurde. Die Seeleute standen an den Falltauen, um sie ruckweise zu lösen, und Frauen und Kinder stiegen über die Reling in das Boot. Es war das dritte oder vierte der Boote, das seinen Weg abwärts zur spiegelglatten Oberfläche des Meeres antreten sollte. 14 oder 15 Boote waren noch übrig.
    Er erkannte, dass es außer der Toleranz von Mr. Murdoch, der anders als Kapitän Smith und Officer Lightoller auf der Backbordseite Männer in die Boote ließ, noch einen weiteren Grund dafür gab, der seine Chancen auf Rettung steuerbords beträchtlich erhöhte. Bei Gefahr scharten sich die Passagiere gewöhnlich um den Kapitän, und genau das spielte sich gerade auf der Backbordseite ab. Das war ein Fehler, wie Nevil erkannte, doch für die gewitzteren unter den Passagieren war es ein Glück. Aufgrund des Herdentriebs hielten sich viel weniger Passagiere auf der Steuerbordseite auf, obwohl die Zahl der Rettungsboote auf beiden Seiten die gleiche war. Wer als Passagier einen klaren Kopf behielt und Augen hatte zu sehen, dem boten sich auch als Mann gute Chancen, in eines der Boote zu gelangen.
    Als Erstes bräuchte er aber seine Schwimmweste, fiel ihm ein, und entschlossen, nicht länger zu zaudern und keine weitere Zeit zu verlieren, schob er sich zügig an der Reling entlang in Richtung des Treppenhauses.
    Was ihn außerdem beschäftigte, war sein Geld. Der ihm von Barrett für seine Arbeit versprochene Lohn war so groß, dass er es für lange Zeit nicht nötig haben würde zu arbeiten, doch wenn er in eines der Rettungsboote stieg, war die Aussicht auf Lohn natürlich dahin. Gut, dass er so schlau gewesen war, einen Vorschuss zu verlangen, und der war sehr großzügig bemessen. Das

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