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Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.L. WEEN
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Hauptstadt zurückfuhr.

33.
    24 Stunden später nippte Mirjam im Newton an ihrem Getränk, einer Mixtur aus exotischen Fruchtsäften, wenig Whisky und viel Zuckerrohrschnaps und lächelte ihren Begleiter an, als sie auf die Cocktailbar in Hamburg zu sprechen kam, in der die Affäre mit ihm begonnen hatte. Sie musste unbedingt herausbekommen, wie empfänglich er noch für ihre Reize war und weckte deshalb mit dem Timbre des Begehrens in der Stimme die Erinnerung an die Episode im Erotikladen und die anschließende Liebesnacht, füßelte dabei unterm Tisch und hatte schließlich Mühe, sich wieder zurückzunehmen, um ihr Pulver nicht vorschnell zu verschießen. Aber immerhin wusste sie, als sie sich von Becker kurz nach Mitternacht vor ihrer Haustür verabschiedete und er sich für ihr Geburtstagsgeschenk, eine selbstgefertigte Seidenkrawatte, mit einem feuchten Kuss bedankte, dass sie ihn notfalls, solange sich seine Frau in Westfalen um ihre Mutter kümmerte und sein Hormonspiegel auf gleicher Höhe wie jetzt blieb, zu jeder Schandtat überreden konnte.
    Von dieser Erkenntnis beschwingt, stürmte sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf, gönnte sich trotz des von den Cocktails herrührenden Schwipses noch ein Glas Rotwein und legte sich dann, froh wie lange nicht mehr, schlafen. Bald träumte sie von glücklichen Ferienaufenthalten am Meer, Momenten der Geborgenheit auf dem Schoß der Mutter und ihrer Beförderung zur Kriminalrätin, doch plötzlich veränderten sich die Farben in ihren Visionen, bis graue und schwarze Töne vorherrschten und Becker, mit seinem abgetrennten, blutverschmierten Glied in der Hand, über sie Gericht hielt. Was sie als Entschuldigung für ihren Verrat vorzubringen habe, wollte er von ihr wissen und ob sie ahne, welche Verletzungen sie ihm und den anderen Kollegen mit ihrem Vertrauensbruch zugefügt habe. Sie zappelte auf der Armesünderbank herum, versuchte ihren Gewissenskonflikt zu erklären, verhedderte sich zunehmend in Widersprüche und musste schließlich ohnmächtig mit ansehen, wie der von den Ermittlern als Scharfrichter bestimmte Sauerbrei sich vor ihr entblößte und mit seinem dolchähnlichen Glied in sie eindrang. Mit einem Schrei, der durch Mark und Bein ging, schreckte sie aus dem Alptraum hoch, wähnte sich wegen der Finsternis um sie herum bereits in der Hölle und brauchte lange Zeit, um sich zu erholen und wieder einzuschlafen...

34.
    Der Doppelmord in der Schorfheide war in den folgenden Wochen in aller Munde und weil die Polizei auf Anraten Beckers faktisch eine Nachrichtensperre verhängt hatte, schossen die Spekulationen über das Verbrechen schnell ins Kraut. Da war von einem neuerlichen Fall von Kannibalismus die Rede, von gegenseitiger Sterbehilfe zweier verzweifelter Männer und von einer neuen Variante des Satanskults, der sich noch übers ganze Land ausbreiten würde, wenn die Polizei dem Treiben nicht bald ein Ende machte.
    Und wie es bei der alle Voyeursgelüste befriedigenden Darstellung von Mord und Totschlag in den Massenmedien nicht verwundern kann, fehlten den toten Jägern, wollte man den Erzählungen der Menschen Glauben schenken, wahlweise Arme, Beine, Lunge und Herz. Und in Neuwiese hielt sich sogar lange Zeit das Gerücht, die Täter seien nach dem Vorbild des schauerlichen Romans Hannibal von Thomas Harris vorgegangen und hätten ausgehungerte Wildschweine auf die gefesselten Waidmänner gehetzt… Hannelore Jakob wusste es natürlich besser und musste sich oft auf die Zunge beißen, wenn sie den Unsinn der herum schwafelnden Dörfler vernahm, aber letztlich gelang es ihr, das düstere Geheimnis für sich zu behalten und sich wenigstens keine Blöße zu geben, bevor die Kriminalbeamten anrückten, um sie zu vernehmen.
    Manchmal, wenn sie des Nachts die stickige Luft in ihrer Kate nicht mehr ertrug und auf der Liege im Garten zur Ruhe kommen wollte, schloss sie die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie sie die Beamten an der Nase herumführte. Doch immer, wenn sie sich halbwegs erfolgreich eingeredet hatte, heil aus der Sache herauszukommen, bekam sie es wieder mit der Angst zu tun, fürchtete sie, ihre Söhne zu verlieren und ihre Verzagtheit wuchs noch, als sie von den Berliner Spezialisten hörte, die ihren Brandenburger Kollegen demnächst bei den Ermittlungen helfen sollten. Doch noch klopfte kein grimmig dreinschauender Kommissar an ihre Tür und deshalb überwogen in ihren Überlegungen trotz allem Pessimismus Freude und Genugtuung

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