Todesengel (Gesamtausgabe)
damit aber schneller als erwartet zum Reden und es dauerte nicht lange, bis Hufschmied freimütig von der Vergewaltigung ihrer Tochter, gewissen Andeutungen nach Bergers Tod und dem mysteriösen, von ihr belauschten Telefonat Margas erzählte, bei dem es um den Mord im Hotel Astor gegangen war.
Mirjam ließ die Frau ausreden, machte sich hin und wieder Notizen, dachte aber nicht daran, das vor ihr auf dem Tisch stehende Aufnahmegerät einzuschalten. Irgendwann versiegte Hufschmieds Redefluss und Mirjam sah die Zeit für gekommen, ihr die Leviten zu lesen.
„Wissen Sie, was Sie mit Ihrem Geschwätz anrichten?“, fragte sie die verdatterte Frau und fuhr dann mit ihrer Philippika fort: „Wenn ich mich nicht verhört habe, ist Margas Chef Opfer eines von ihr beauftragten Killers geworden und hat sich Ihre Tochter aus dem Fenster gestürzt, weil sie mit dieser Schuld nicht länger leben konnte! Ist das richtig?“
Die letzten Worte hatte Mirjam aus sich heraus geschrien und die Trinkerin war jetzt noch eingeschüchterter als zuvor, zitterte am ganzen Leib und hatte Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten.
„Heulen Sie nicht rum!“, kreischte Mirjam, ehe sie sich besann und die Verständnisvolle spielte: „Ich habe das nicht so gemeint, aber ich will genauso wie Sie, dass Margas Andenken in Ehren gehalten wird und deshalb muss ich Sie unbedingt für die Vernehmung präparieren!“
Hufschmied sah Mirjam ungläubig an, und langsam dämmerte ihr, dass sie keine Feindin, sondern eine Verbündete vor sich hatte, ergriff gerührt die Hände ihres Gastes und war dann ganz Ohr für die Regieanweisungen der Polizistin.
„Sind Sie jetzt bereit?“, fragte Mirjam schließlich und schaltete, als Hufschmied sie wie ein reich beschenktes Kind anstrahlte, das Aufnahmegerät ein, nahm zunächst die Personalien der Frau auf und begann dann mit dem einstudierten Frage- und Antwortspiel, bei dem die Mutter ein völlig neues Bild ihrer Tochter entwarf. Nein, zwischen Berger und Marga sei nichts gewesen, dafür lege sie die Hand ins Feuer! Und von sexuellen Übergriffen des Firmenchefs könne erst recht keine Rede sein, ganz zu schweigen von der fixen Idee, die Tochter sei in diese scheußlichen Morde verwickelt! Aber dass ihr Kind wegen einer unerwiderten Liebe dem Alkohol zugesprochen habe, könne sie bestätigen und dafür bringe sie auch Verständnis auf, trotz des tragischen Endes, den die Geschichte genommen habe. Jedenfalls werde sie auch unter der Folter nichts anderes aussagen und wenn doch, dann solle sie dafür in der Hölle schmoren…
Zufrieden mit sich und der Welt, beendete Mirjam das Verhör, sparte anschließend nicht mit tröstenden Worten und bläute Hufschmied, bevor sie sich auf den Rückweg machte, noch einmal ein, unbedingt bei der zu Protokoll gegebenen Version zu bleiben. Sollte sie es sich anders überlegen, müsste sie damit rechnen, wegen uneidlicher Falschaussage im Gefängnis zu landen und das wolle sie doch bestimmt nicht.
Unterwegs im Auto rief Mirjam ihren Chef an und entschuldigte sich vorsichtshalber für eventuelle Fehler bei der Zeugenbefragung, versicherte aber immer wieder, dass sie sich nichts vorzuwerfen habe und beendete das Telefonat schließlich abrupter, als es nötig gewesen wäre.
„Ich halte das nicht länger aus!“, schrie sie danach, aber keiner hörte ihren Hilferuf und so trat sie das Gaspedal durch, als gelte es, die Rallye Monte Carlo zu gewinnen, weil es ihr nur so gelingen konnte, den Geistern zu entkommen, die wegen des Verrats an den Kollegen hinter ihr her waren…
42.
Als sich der August seinem Ende zuneigte und die Berliner nach mehreren regnerischen Wochen für einige Tage nochmals von der Sonne verwöhnt wurden, füllten sich wieder die Reihen der Ermittler und in der letzten Lagebesprechung des Monats konnte Becker schließlich auch Sauerbrei begrüßen und rekapitulierte ihm zuliebe, was sich während seines Urlaubs zugetragen hatte.
Der Oberstaatsanwalt wurde im Laufe der Ausführungen immer mürrischer, beklagte sich anschließend heftig über den vermeintlichen Stillstand der Ermittlungen und drohte am Ende sogar damit, der Sonderkommission den Serienmordfall zu entziehen. Becker und seine Mitarbeiter saßen danach mit langen Gesichtern da, weil sie wussten, wie berechtigt die Kritik war, doch dann erinnerte sich der Hauptkommissar zum Glück an das nächtliche Gespräch mit Tochter Annette, ergriff das Wort und schilderte die unbegrenzten
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