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Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.L. WEEN
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einforderte. Gab es für Paare, die sich einander hingegeben hatten, eine gemeinsame Zukunft jenseits körperlichen Begehrens? Und wenn nicht, wie würde Mirjam eine zweite Trennung von ihm verkraften? Würde sie ihn hassen, bei Carmen anschwärzen oder mit Frustration reagieren und sich womöglich in den Tod stürzen wie Marga Hufschmied? Wenn er Glück hatte, verpuffte die neu entflammte Leidenschaft aber auch ohne sein Zutun, trat ein etwa gleichaltriger Mann in Mirjams Leben, ein Handballer aus ihrem Verein oder ein akademisch gebildeter Kriminalist, mit dem sie realistischere Zukunftspläne schmieden konnte als mit ihm. Doch unabhängig davon, wie sich seine Beziehung zu Mirjam entwickelte, gab es in den nächsten Tagen Wichtigeres zu tun als zu vögeln, weil es galt, alle Kräfte für die hoffentlich letzte Phase der Jagd nach den irren Mörderinnen zu bündeln…
    „Hat dir der Film gefallen?“, wollte die Gastgeberin von Becker wissen, als sie wieder mit ihm auf der Wohnzimmercouch saß und sich daran machte, die zweite Flasche Chianti des Abends zu leeren. Letztlich erwartete sie keine aufrichtige Antwort, weil sie zum Ende des Films hin bemerkt hatte, dass er nicht ganz bei der Sache war, doch musste sie unbedingt mit ihm ins Gespräch kommen, um zu erfahren, ob er ihrem Vorschlag, die Rolle der missbrauchten Frau zu übernehmen, aus Überzeugung zugestimmt hatte oder aus anderen Beweggründen. Aus ihrer Sicht gab es mindestens drei Möglichkeiten für Beckers Sinneswandel.
    Entweder hatte er ihre Absichten von Anfang an durchschaut und wollte ihr eine Falle stellen, war er blind vor Liebe oder aber, aus welchen Gründen auch immer, wieder von ihren
    Fähigkeiten als Kriminalbeamtin überzeugt!
    „Was soll ich sagen“, meinte Becker, „ich habe während des Films ab und zu geträumt, aber eine Episode ist dennoch in meinem Gedächtnis haften geblieben, das erste, exzellent geführte Verhör der Mörderin! So gut wie diese Bella Block könntest du auch werden, wenn du an dir arbeitest!“ Mirjam hätte vor Freude jauchzen können, weil von Becker keine Gefahr mehr auszugehen schien, spielte aber sicherheitshalber den braven Lehrling, der wegen des Kompliments pflichtgemäß errötete und den Wechsel auf die Zukunft bescheiden ausschlug: „Du übertreibst gewaltig, Liebling! Sollte ich jemals so gut wie diese Kommissarin werden, müsstest du mich mit Frau Bundeskanzlerin ansprechen…“
    „Klar doch“, lästerte Becker, „in direkter Nachfolge von Frau Merkel…“ und Mirjam lachte erleichtert, goss auch ihrem Geliebten Wein nach und stellte sich sein dummes Gesicht vor, wenn er viel zu spät erkannte, welche Rolle er in ihren Plänen gespielt hatte…

46.
    In den nächsten Tagen verwandelte sich Mirjams Zuhause in ein Hightech-Domizil. In die Abstellkammer, in der sonst Sportkleidung, Strickzeug und einige Leitz-Ordner Platz fanden, stellten als Möbelträger getarnte Bereitschaftspolizisten Computertisch, Drehstuhl und PC, Spezialisten komplettierten die Einrichtung des Raums, indem sie für nicht Eingeweihte unsichtbare Kameras und Wanzen installierten und als die Kollegen auch noch den Rest ihrer Wohnung verkabelten und verdrahteten, fragte Mirjam sie mit von Sorgen zerfurchter Stirn nach dem Sinn des betriebenen Aufwandes, bekam aber statt einer vernünftigen Erklärung nur belanglose Floskeln zu hören.
    Das an George Orwells 1984 erinnernde Überwachungsszenario beunruhigte Mirjam mehr, als sie sich eingestehen wollte, kamen in ihr doch erneut Zweifel an Beckers Vertrauen in ihre Loyalität auf und so rief sie ihn, als die Installateure ihre Wohnung am Montag verlassen hatten, sofort an und beschwerte sich lautstark. Warum, fragte sie immer wieder, trafen die Kollegen Vorkehrungen, als ob es sich bei ihr um eine zu überwachende Schwerverbrecherin und nicht um eine Polizistin handelte, die den ersten Kontakt zu den Betreiberinnen eines Internetportals herstellen sollte?
    Und warum sollte sie sogar observiert werden, wenn sie sich auf der Straße die Beine vertrat? Becker, dessen Argwohn gegen Mirjam sich entgegen ihren Befürchtungen in Grenzen hielt, konnte durchaus nachfühlen, wie es ihr ging, bat sie aber dennoch um Verständnis für die absurd erscheinende Überwachung. Er könne nicht ausschließen, dass sie einer der verdächtigen Frauen schon über den Weg gelaufen sei und deshalb sei es sogar nötig gewesen, im Landeskriminalamt das Gerücht zu streuen, sie habe sich mit ihm

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