Todesengel: Roman (German Edition)
Wenger seufzte.
»Partybedarf«, sagte ihr Mann. »Alexander hat uns das mal ziemlich umständlich erklärt, aber darauf läuft es hinaus. Sie stellen irgendwelches Zeug her, mit dem man sich auf Partys aller Art verlustieren kann. Amis halt. Dekadent bis sonst wohin.«
»Klingt nicht, als hätte er dafür Chemie studieren müssen.«
»Doch, doch. Denken Sie an Schminke, an Zimmerfeuerwerke und solche Dinge. Da ist sogar ziemlich viel Chemie im Spiel. Bloß eben … na ja. Wie soll ich sagen? Vergleichsweise profan.«
Ambick notierte sich das, ohne Hoffnung, dass es ihn sonderlich weiterbringen würde. »Haben Sie vielleicht ein aktuelles Foto von ihm?«
Monika Wenger sprang auf. »Warten Sie.« Sie kam mit einer Ansichtskarte zurück, wie man sie an Automaten von eigenen Fotos ausdrucken konnte. Die Bildseite zeigte einen pausbäckigen, leicht übergewichtigen jungen Mann mit hellbrauner Mähne, der grinsend vor einem Eisbecher saß, das offene Meer im Hintergrund. »Die hat er zu Weihnachten geschickt.«
»Vorletztes«, ergänzte ihr Mann. »Letztes Jahr hat er nur angerufen.«
»Er hat eben immer so viel zu tun mit der Firma.«
»Das ist dort drüben auch nicht mehr so leicht wie früher. Vom Tellerwäscher zum Millionär, das schafft nur noch einer von tausend.«
Ambick betrachtete das Foto, das Gesicht des Jungen. Trotz der offensichtlich zwanglosen Situation lag etwas Unentspanntes in seinem Blick. Als sei er entschlossen, dieser eine zu sein, der es schaffte. »Kann ich das eine Weile haben?«, bat er. »Sie bekommen es zurück. Ich würde es nur mitnehmen und bei uns kopieren lassen.«
»Klar«, sagte Wenger.
»Wann war Ihr Sohn denn das letzte Mal in Deutschland?«
»Vor drei Jahren«, sagte Monika Wenger, ohne zu zögern. »Zu meinem fünfzigsten Geburtstag. Da ist er extra gekommen.«
»Seither nicht mehr?«
»Nein.« Der Blick der Frau war auf das Foto in Ambicks Hand gerichtet, als trenne sie sich nur ungern davon. »Wissen Sie, als Alexander damals nach Amerika gegangen ist, hatte man das Gefühl, er geht, um alles hinter sich zu lassen.«
»Was, alles?«
»Die Sache mit Herrn Holi. Was er da miterleben musste. Und wie die Umwelt reagiert hat. Das hat ihn ziemlich mitgenommen, auch wenn er versucht hat, es sich nicht anmerken zu lassen.«
»Wie hat sich das bemerkbar gemacht?«, wollte Ambick wissen.
Monika Wenger zögerte. »Also, das klingt vielleicht komisch, aber mir war der Ehrgeiz unheimlich, den er entwickelt hat. Davor, da war er jemand, der alles leicht genommen hat, für den das Leben ein Spiel war. In der Schule war er nicht schlecht, nicht herausragend, es fiel ihm zu. Nach der Sache … Da hat er plötzlich angefangen zu lernen, richtig zu büffeln, war bald der Beste in seiner Klasse, in der ganzen Schule, hat Preise bekommen. Und schließlich hat er dieses Stipendium gewonnen, mit dem er nach Texas gehen konnte.«
»Das war die Konfrontation mit dem Tod, sage ich immer«, warf ihr Mann ein. »Das hat ihn vor der Zeit erwachsen werden lassen. Mit ansehen zu müssen, wie endlich ein Leben ist und wie zerbrechlich.«
Ambick holte seine Brieftasche heraus und verstaute das Foto sorgfältig darin. Er notierte sich, es den Wengers baldmöglichst zurückzugeben. »Haben Sie sonst noch Kinder?«
»Eine Tochter. Theresa«, sagte Monika Wenger. »Sie ist fünfundzwanzig. Krankenschwester von Beruf.«
»Sie hätte studieren können«, ergänzte ihr Mann in vorwurfsvollem Ton. »Sie wollte immer Ärztin werden. Hatte ein gutes Abitur, der Notenschnitt hätte gereicht. Aber sie musste ja unbedingt heiraten. Der Kerl hat sie völlig entmutigt, wenn Sie mich fragen. Und schließlich hat er sie dann doch sitzen lassen.«
»Wo wohnt ihre Tochter?«
»In Unterthalerried«, sagte Monika Wenger. »Brauchen Sie ihre Adresse?«
»Wenn Sie die Freundlichkeit hätten.«
»Was wollen Sie denn von ihr?«, fragte Klaus Wenger misstrauisch, während seine Frau aufstand, um Block und Stift zu holen.
»Nichts, nur für alle Fälle«, meinte Ambick. »Wissen Sie zufällig, ob sie Kontakt mit ihrem Bruder hat?«
»Nein. Das hätte sie uns gesagt.«
Monika Wenger kam zurück, schrieb Adresse und Telefonnummer aus dem Gedächtnis nieder. »Sie muss ständig Überstunden machen, kommt kaum raus. Wenn sie mal bei uns ist, hab ich immer das Gefühl, sie schläft jeden Moment ein. Ich weiß nicht, wie sie bei dem Leben je wieder jemanden kennenlernen soll.«
»Ach, was du dir für Sorgen
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