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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Er erwog, Rehmers direkt zu fragen, ob er den Eindruck habe, dass sich jemand an ihnen rächen wollte, entschied sich dagegen. Stattdessen fügte er hinzu: »Hans Brodowski ist übrigens tot.«
    »Ehrlich?«, fragte Rehmers ohne sichtbare Bestürzung.
    »Ein Verkehrsunfall. Vor drei Jahren.«
    Rehmers zog ausgiebig an seiner Zigarette. »Na. Wenn das mal tatsächlich ein Verkehrsunfall war.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Jemand hat mir erzählt, der Brodde sei dick im Geschäft mit geklauten Autos für Osteuropa. Wobei ich nicht weiß, ob das stimmt«, beeilte er sich hinzuzufügen. »Hab ich nur gehört. Und es war keine verlässliche Quelle.«
    Ambick räusperte sich. »Vertiefen wir das lieber nicht, sonst muss ich am Ende einen Fall wieder aufmachen, der schon so schön aufgeräumt bei den Akten liegt.«
    »Okay. Ich hab nichts gesagt«, meinte Rehmers. Dann schwieg er, dachte nach, rauchte.
    Ambick schwieg auch, wartete. Er hatte das Gefühl, dass da noch etwas kommen würde.
    »Wenn ich an den Tag zurückdenke«, sagte Rehmers nach einer Weile, »kommt es mir vor, als wären das die Erinnerungen von jemand anderem. Ich kann fast nicht glauben, dass ich das war. Dass ich das gemacht habe. Aber andererseits sehe ich es vor mir. Wie mein Stiefel den Mann trifft. Ich höre noch, wie etwas in seiner Brust bricht.« Er hustete. »Ich hab nicht gegen seinen Kopf getreten. Das war ich nicht.«
    Ambick sagte immer noch nichts. Er hatte die Protokolle gelesen. Jeder der drei hatte damals ausgesagt, die anderen hätten die tödlichen Fußtritte gegen den Kopf Holis ausgeführt.
    »Wissen Sie, die Zeitung hatte recht«, meinte Rehmers schließlich und ließ die abgerauchte Zigarette fallen.
    »Die Zeitung? Womit?«
    »Dass wir menschlicher Abschaum waren.« Er zertrat die Kippe mit der Schuhspitze, verrieb sie mit dem Asphalt. »Darf man heutzutage ja nicht sagen, dass es so etwas gibt: menschlichen Abschaum. Will niemand hören. Der Punkt ist bloß: Man hat es selber in der Hand, ob man dazugehört oder nicht. Und wir haben damals dazugehört. Definitiv.«
    Keine problematischen Studiogäste heute. Ein Juwelier, der sich mit einer illegalen Waffe gegen einen Räuber verteidigt, diesen versehentlich angeschossen und schwer verletzt hatte und deswegen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, die erst das Berufungsgericht in Bewährung umgewandelt hatte. Ein Geschäftsführer eines Vereins, der abends in seinem Büro überfallen worden war und seither an epileptischen Anfällen litt. Und an Behörden, die diesen Zusammenhang hartnäckig abstritten. Das war es schon. Es versprach, eine ruhige Sendung zu werden.
    Trotzdem war da dieses Zittern in seinem Innern. Ein Unbehagen, wenn er eine Straße entlangging. Ein Zusammenzucken jedes Mal, wenn sein Telefon klingelte. Ein Warten auf den nächsten Drohanruf.
    Der nicht kam. Das war seltsamerweise schlimmer, als es jeder Anrufterror hätte sein können.
    Es tat gut, endlich das Halbdunkel des Studiotrakts zu betreten, umfangen zu werden von dem Geruch heißer Scheinwerfer und verbrannten Staubs, die gedämpften Stimmen und die leisen Schritte auf dem Linoleum zu hören. Als Ingo seine Garderobe erreichte, war das Zittern fast schon verschwunden.
    »Wird aber Zeit«, sagte die Maskenbildnerin, obwohl das gar nicht stimmte; er war viel früher gekommen als üblich. Sie sagte das einfach aus Gewohnheit.
    Ingo legte seine Mappe ab, zog sein Jackett aus, hängte es an einen Bügel. »Ich muss erst noch für kleine Jungs.«
    »Na, dann beeilen Sie sich mal, Sie kleiner Junge«, erwiderte sie, ihre Puderquasten ordnend.
    Er beeilte sich nicht, wozu? Viel wichtiger war, zur Ruhe zu finden. Irgendwie beschleunigte sich gerade alles, drehte alles durch. Rado hatte ihm gesagt, er verhandle inzwischen mit dem ZDF über eine Übernahme der Sendung. Angeblich wollten sie in Mainz das komplette Paket, Konzept plus Moderator, ob er sich das vorstellen könne? Öffentlich-rechtliches Fernsehen , versuchte Rado ihm den Mund wässrig zu machen. Die schwimmen in Geld. Da hättest du ausgesorgt. Rado zweifellos auch, aber diesen Aspekt hatte er natürlich unter den Tisch fallen lassen.
    Gelächter aus einem Quergang erregte Ingos Aufmerksamkeit, weil es ungewohnt ausgelassen war, geradezu frivol. Er hielt inne, ging den Lauten nach. Eine angelehnte Tür zu einem Büro, das er nicht kannte. Er blieb stehen, bewegte den Kopf langsam quer zum Türspalt, um zu sehen, was sich dahinter

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