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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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gar nicht von sich, doch die Situation überwältigte ihn gerade.
    Er sah sich um. Ein kleiner Tisch unter dem Fenster, an den nur zwei Stühle passten: alleinerziehende Mutter also. Liebevoll eingerichtet alles, aber mit Möbeln, denen man ansah, dass sie wenig gekostet hatten. In einem Kiefernregal Dosen und Nudelpackungen einer billigen No-Name-Sorte, an einer Pinnwand ausgeschnittene Einkaufsgutscheine und Zettel mit aktuellen Sonderangeboten. Geld war nicht viel da.
    Sie nahm den Deckel ab, rührte um. »Sportunterricht. Das hasst er. Zum Trost koche ich ihm sein Lieblingsessen.«
    »Da hat er doch Glück.«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht verwöhne ich ihn auch. Er hat es nicht leicht.« Sie warf ihm einen Blick zu, einen blauen Laser-Blick, so kam es ihm vor. »Sie schreiben das jetzt aber nicht in Ihrem Artikel, oder?«
    »Nein«, sagte Ingo. »Gar nichts über Sie, wenn Sie nicht wollen.«
    »Gut. Will ich nämlich nicht.« Sie wog Spaghetti aus der Packung ab. Sie hatte dunkles Haar, zu einem Pagenkopf geschnitten. »Von welcher Zeitung sind Sie überhaupt?«
    Ingo räusperte sich. »Ich arbeite freiberuflich. Meistens für die City-Media-Gruppe. Dazu gehören vor allem das Abendblatt und der Sender City-TV . Neben ein paar Anzeigenblättern und diversem Kleinkram. Und Sie?«
    »Büro«, sagte sie und zupfte Salat in eine Schüssel. Sie hatte schlanke, schöne Finger. »Eine Halbtagsstelle bei einem griechischen Importeur. Wir versorgen fast alle griechischen Restaurants in der Stadt mit Lebensmitteln aus Griechenland – frischer Fisch, Schafskäse, Oliven, Ouzo, Retsina, solche Sachen.«
    »Dann sprechen Sie Griechisch?«
    Sie lachte auf. »O je. Nein. Ein paar Worte. Ist auch nicht nötig; ich mache die Buchhaltung und alles, was mit den deutschen Behörden zu tun hat. Papierkriegsführung.« Die Schüssel war voll. Sie griff nach einer Zwiebel und begann, sie klein zu schneiden. »Der Vorteil ist, dass das Büro nicht weit von hier liegt. Ich kann zu Fuß hingehen, und ich kann mir die Zeit fast nach Belieben einteilen. Griechen halt, wenn Sie verstehen. Meinem Chef ist wichtig, dass der Fisch frisch ist, wenn der Kühllaster aus Athen ankommt, und dass er keine Probleme mit den Behörden und dem Finanzamt bekommt. Wie lange und wann ich arbeite, ist ihm egal. So kann ich mittags zu Hause sein für meinen Sohn.«
    »Klingt doch gut«, meinte Ingo.
    Sie schabte die geschnittene Zwiebel in den Salat, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich wollte mir heute eigentlich freinehmen, nach der Nacht – erst hat mich das Krankenhaus rausgeklingelt, später die Polizei. Aber dann musste ich doch noch kurz ins Büro, was erledigen. Bei der Gelegenheit hab ich mitgekriegt, was die Zeitungen schreiben.«
    »Wie geht es ihm denn? Ihrem Schwiegervater, meine ich.«
    »Er sagt, gut.« Sie zerteilte eine Tomate mit geübten Bewegungen. »Allerdings würde er das auch noch sagen, wenn ihm die Eingeweide aus dem Bauch hängen, also weiß ich eigentlich nichts. Er sagt nie, wie’s ihm wirklich geht. Die alte Schule halt.«
    Ingo nickte. »Wie ist Ihr Verhältnis?«
    Sie seufzte. »Muss ja. Nicht immer einfach, weil er manchmal doch ziemlich andere Vorstellungen hat … Wie alte Leute eben so sind. Aber er ist nun mal alles an Familie, was mein Sohn und ich haben.«
    »Ihre Eltern leben nicht mehr?« Aus irgendeinem Grund wollte Ingo nicht fragen, wo der Vater ihres Sohnes abgeblieben war.
    »Ach, doch. Und wie. Die hat auf ihre alten Tage der Rappel gepackt, nach Neuseeland auszuwandern. Sie haben in Christchurch ein Hotel übernommen, von einem früheren Studienkollegen meines Vaters.« Sie rührte die Vinaigrette an, mit Bewegungen, die zornig wirkten. »Jedenfalls konnte ich die nicht anrufen und bitten, einen Abend auf Kevin aufzupassen. Egal. Inzwischen ist er vierzehn, da ist das eh nicht mehr nötig.«
    »Kevin ist Ihr Sohn.«
    »Sein Vater wollte, dass er so heißt. Aber heutzutage ist man gestraft mit dem Vornamen, ehrlich.« Sie hob den Deckel vom großen Topf. Das Wasser brodelte. »Jetzt könnte er allmählich kommen.« Sie setzte den Deckel wieder auf, wischte sich die Hände an einem Handtuch ab und wandte sich Ingo zu. »Ich dachte, es geht Ihnen um Erich? Meinen Schwiegervater?«
    Ja, richtig. Das hatte Ingo irgendwie aus den Augen verloren. »Was hat er Ihnen über den Vorfall erzählt?«
    »Nicht viel. Nur, dass er überfallen worden ist und einen Anwalt braucht. Einen Anwalt! Als ob ich

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