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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Sein ganz persönlicher Dämon. Das war auch mit der Firma so. Ihm ging’s nicht ums Geld. Für ihn geht’s immer um den Sinn des Lebens. Mindestens.«
    »Dann muss ihn der Brand ziemlich getroffen haben?«
    »Mann, das können Sie aber singen! Das war die Mutter aller Tiefschläge. Und ich war schuld.« Er schüttelte den Kopf, wirkte einen Moment lang, als wolle er in Tränen ausbrechen. Aber dann schluckte er es runter und sagte: »Er war echt fertig. Zuletzt hat er so gut wie nichts mehr gegessen, ist regelrecht abgemagert. Scheiße, Mann. Und ich hab bloß gesoffen und mir leidgetan.« Er rieb sich etwas aus dem Auge. »Aber ich wusste nicht, was ich hätte tun können. Ich konnte nichts tun. Das war es eben.«
    Javier Baderas konsultierte seine Notizen. »Ich muss noch einmal auf das mit den Waffen zurückkommen. Er kann also gut schießen, habe ich das richtig verstanden?«
    »Sagenhaft gut. Beidhändig. Auf irre Entfernungen. Die Kugeln machen einfach, was er will.«
    »Weil er so verbissen trainiert hat.«
    »Hat er, aber das erklärt es nicht, wenn Sie mich fragen. Nein, nein, der ist ein verdammtes Naturtalent. Er hat’s bloß nicht gewusst. Wie auch? Drüben bei denen darf ein freier Bürger ja nicht mal mit Pfeil und Bogen schießen.«
    Javier Baderas dachte an die aktuelle Kriminalstatistik, die allein für San Antonio mehr als zwanzigtausend Gewaltverbrechen im laufenden Jahr auswies. Er wusste, bei wie vielen davon Waffen eine Rolle gespielt hatten und was man über die Mordraten in anderen Ländern der Welt hörte. Er hätte nichts gegen ein paar mehr Auflagen für Waffenkäufer gehabt, aber das war eine Meinung, die man in Texas besser für sich behielt. »Woher kannten Sie ihn eigentlich?«
    »Wir haben uns an der Uni kennengelernt, in Houston. Wir haben beide Chemie studiert. Er hatte ein Stipendium. Irgendwas mit internationalem Austausch, keine Ahnung. Nach Details dürfen Sie mich nicht fragen.«
    »Wie lange ist das her?«
    Westham blickte vor sich hin. »Warten Sie … Fast zehn Jahre. Ja. Zehn Jahre. Mann.«
    »Und er hat Ihnen wirklich nicht gesagt, wo er hingeht?«
    »Nein. Er war eines Morgens einfach weg, hat mir nur einen Zettel dagelassen. Später hab ich gemerkt, dass er den Mantel, die Perücke und die beiden Makarows mitgenommen hat.«
    »Was für ein Mantel?«, wunderte sich Ricky. »Was für eine Perücke?«
    »Ach, halt so Kleidungsstücke, die wir aus unserer Faser hergestellt haben. Zum Vorzeigen. Um eventuelle Auftraggeber zu überzeugen, okay? Den Mantel hat meine Schwester genäht. Wir hatten noch mehr – Hemden, T-Shirts, Socken, Krawatten, Badehosen –, aber das ist alles verbrannt. Die beiden Sachen haben’s überlebt, weil sie zufällig im Kofferraum gelegen haben.«
    »Dieser Zettel«, sagte Javier. »Haben Sie den noch?«
    »Nein.« Westham schniefte. »Hab ihn wütend in lauter winzige Schnipsel zerrissen.«
    »Aber Sie wissen noch, was draufstand.«
    »Dass er was vorhat und dass es besser ist, ich weiß nicht, was. Dass ich ihn nicht suchen soll. Und dass er wahrscheinlich nicht zurückkommt.« Er schniefte wieder. »Sonst nichts. Kein Goodbye, kein Gruß, nichts. Scheiße, Mann. Und dabei war Alex der einzige Freund, den ich je hatte.«

31
Er ging mit der Flut, durchquerte die Nacht, als bewege er sich durch einen großen, lebenden Organismus. Es machte nichts, dass er immer wieder stolperte. Gar nichts machte das. Er hörte die Dunkelheit, ihr trauriges Lied, ihren kühlen Atem, bis er husten musste, husten, als wolle es ihm die Lunge zerreißen. Er fühlte die Stimmen, all die Stimmen der Menschen, spürte sie atmen, reden, fluchen und immer wieder, wie sie ihn anrempelten, als sähen sie ihn gar nicht, roch Bieratem, hörte grölendes, dreckiges Lachen. Er sah …
    Ja, was? Er sah einen Schleier vor Augen, den er nicht wegbekam, so sehr er auch blinzelte.
    Er musste heute Abend einen finden, der den Tod verdient hatte. Er musste vor Zeugen in Erscheinung treten, zum Beweis, dass Ulrich Blier unschuldig war.
    Das musste er.
    Und das würde er, denn er war eins mit allem, auf dem Pfad des Kriegers, in der Gnade. Das Schicksal selbst lenkte seine Schritte.
    Aber Geduld. Die würde er brauchen. Wenn es heute Nacht nur nicht so kalt gewesen wäre! Sein Mantel war nicht dick genug für solche Temperaturen.
    Leuchtreklamen, flirrend, pulsierend, in allen Farben, die Sinne verwirrend. Wenn derjenige, den er finden musste, unter einer solchen Lichtkaskade stand,

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