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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Schreibst endlich dein Buch.«
    »Was für ein Buch?«, wunderte sich Ingo. Er hatte nie daran gedacht, ein Buch zu schreiben. Seit wann veränderten Bücher die Welt? Artikel, das war sein Ding. Aktualität.
    »Jeder schreibt heutzutage ein Buch«, behauptete Thorsten.
    »Ich nicht.« Ingo räusperte sich. Er musste ihn irgendwie stoppen. »Hör mal, das ist wirklich total super von dir, dass du an mich denkst, aber ehrlich gesagt bin ich grade an was dran, das äußerst interessant werden könnte.« Atemberaubend, wie glatt ihm diese Lüge über die Lippen ging.
    »Tja, Sportsfreund«, meinte Thorsten pikiert, »dann kriegt den Tipp jemand anders. Ist das okay?«
    Ingo malte sich noch einmal aus, wie es wäre, in einem hochmodern designten Großraumbüro an einem Schreibtisch zu sitzen und hymnische Artikel auf Parfüms, Luxusreisen, Golfschläger oder Börsentipps zu schreiben. Er spürte, wie sich bei der bloßen Vorstellung alles in ihm verkrampfte. »Absolut.«
    »Was anderes: Hast du nicht Lust, heute Abend mit auf die Piste zu gehen? Vier, fünf von den alten Jungs treffen sich im Good and Evil – so gegen zehn? Sich mal wieder sehen – ein paar Takte reden – den Frauen nachgucken … Vielleicht ergibt sich was. Kann man nie wissen. Wie sieht’s aus? Lust?«
    Das Good and Evil war eine Diskothek in Fuhlsberg, ziemlich angesagt, ziemlich teuer, ziemlich anspruchsvoll, was das Outfit der Gäste anbelangte. Schon das war ein Problem. Außerdem würde es, wie Diskotheken es nun einmal an sich haben, zu laut sein, um wirklich zu reden. Ingo wusste, wie der Abend verlaufen würde, falls er sich darauf einließ: Er würde verloren an der Bar herumstehen, ein paar Leuten von früher »Hallo!« zuschreien, viel zu viel Geld für Drinks ausgeben, die ihm nicht schmeckten, zusehen, wie andere mit Porsche-Schlüsseln klimperten und mit einer aufgebrezelten Frau am Arm abzogen, und schließlich mit angeknackstem Selbstbewusstsein nach Hause gehen. Allein, selbstverständlich.
    Wobei er gerade gar keine Lust auf irgendein Abenteuer hatte. Irgendwie musste er an Evelyn Sassbeck denken. Die würde er heute Abend in keiner Diskothek der Stadt antreffen.
    »Nee, du«, sagte er. »Was das anbelangt, bin ich auch an was dran, das interessant werden könnte.«
    Thorsten gab einen Pfiff von sich. »Ah, verstehe. Okay. Na, vielleicht ein andermal.«
    »Ja. Vielleicht ein andermal«, log Ingo.
    Als er zu Hause ankam, erschien es ihm wie ein Fehler, Thorstens Einladung abgesagt zu haben. Allein daheim herumzusitzen würde seinem Selbstbewusstsein auch nicht gerade zuträglich sein.
    Doch dann rief Evelyn Sassbeck an. Das klappte mit dem Besuch bei ihrem Schwiegervater; sie hatte mit ihm gesprochen. Sie verabredeten sich für acht Uhr vor dem Haupteingang des Ringhospitals.
    Wie gut , dass er Thorstens Einladung abgelehnt hatte! Einem plötzlichen Impuls folgend, begann Ingo, seine Wohnung aufzuräumen. Gründlich. So gründlich, dass sich sogar eine Frau darin würde wohlfühlen können.
    Daniel Wiechert, einundzwanzig Jahre alt, führte ein Doppelleben.
    Tagsüber stand er, adrett frisiert und beschlipst und mit einem preiswerten Anzug aus dem Kaufhaus bekleidet, wie es seinem Status als Auszubildender entsprach, hinter einem Bankschalter. Er zahlte Geld aus, nahm Geld entgegen und erledigte Überweisungen für alte Leute, die mit der Selbstbedienung am Computer nicht zurechtkamen. Wurde er etwas gefragt, das sie in der Berufsschule noch nicht behandelt hatten, holte er den zuständigen Betreuer zu Hilfe. Die Omis aus der Umgebung der Filiale waren sich einig, dass er ein »netter junger Mann« sei, und nannten ihn auch so.
    Doch abends, wenn er nach Hause kam, war seine erste Handlung, diese Tarnexistenz abzuwerfen wie Superman seine Verkleidung als Clark Kent und sich in sein wahres Selbst zu verwandeln: in Daniel, den Punker. Auf den Bügel mit dem Anzug, her mit dem Haargel und der auswaschbaren Farbe, der Lederjacke und den Stiefeln! Ohne seine knallgrüne Stachelfrisur und das mit überdimensionalen Sicherheitsnadeln zusammengehaltene T-Shirt seiner Lieblingsband Die Arschlochkarten setzte er sich grundsätzlich nicht an den Abendbrottisch – zum Leidwesen seiner Mutter. Aber die hatte sich inzwischen damit abgefunden, im Gegensatz zu seinem Vater, der, wenn er mal da war, fast immer sagte: »Ich kann’s kaum erwarten, dass du dir endlich ’ne eigene Wohnung suchst.«
    Danach ging es raus, einen draufmachen. Kumpels

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