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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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treffen. Abhängen. Für Schlaf blieb unter der Woche nicht viel Zeit, klar, aber das Problem hatten Superhelden sicher auch. Schlief er eben am Wochenende lange, dafür gab es das schließlich, oder?
    Heute war er mal wieder in geheimer Mission unterwegs: Plakate für das nächste Konzert der Arschlochkarten kleben. Er kannte die Musiker gut, gehörte ein bisschen zu deren Umfeld, was ja nun nicht jeder von sich behaupten konnte. Klar, so eine Punkband hatte nicht die Knete, Plakatflächen zu mieten – die waren schon froh, wenn sie das Benzin für ihren Transporter nicht klauen mussten. Da waren Initiative und Findigkeit gefragt. Daniel machte es so, dass er die Plakate zusammengerollt in der Innentasche seiner Jacke trug und den Kleister zusammen mit dem Pinsel in einem alten Blecheimer, auf dem ein Bieraufkleber pappte: Das reichte, damit sich die Leute nichts dabei dachten, dass da einer einen Eimer durch die Gegend schleppte. Ein Punker halt mit seinem Bölkstoffvorrat, sagten sich die meisten. Dann hieß es nur noch, geeignete Flächen auszuspähen: elektrische Schaltschränke, Hauseingänge, Unterführungen, Wartehäuschen und dergleichen. Einen unbeobachteten Moment abpassen, zack, raus mit dem Pinsel, zweimal drüber, Pinsel weg, Plakat raus, auf der bekleisterten Fläche ausrollen und glatt streichen – und zusehen, dass man Land gewann.
    Heute lief es gut. Daniel hatte vierunddreißig Plakate an, wie er fand, hervorragenden Stellen angebracht. Mit jedem Plakat war seine Vorfreude auf das Konzert im Mülmarschener Jugendzentrum gestiegen.
    Zwei Plakate hatte er noch. Und einen Spitzen-Platz für eins davon im Auge: der mächtige Entlüftungsschacht des Parkhauses unter dem Stuttgarter Platz. Ein dicker Zylinder aus weiß lackiertem Stahl, der direkt neben dem Fußweg zwischen dem Alexander-Langenstein-Gymnasium und der Bushaltestelle Teichmannstraße aus dem Boden ragte wie eine jungfräuliche Litfaßsäule. Die Stadt verwendete viel Mühe darauf, das Ding von Graffiti und Aufklebern frei zu halten, und auch jetzt, im fahlen Schein der Straßenbeleuchtung, war die Fläche makellos.
    Mit anderen Worten: Wer hier zuerst klebte, genoss die maximale Aufmerksamkeit der Passanten.
    Daniel sang leise eines seiner Lieblingslieder der Arschlochkarten vor sich hin, während er sich dem Zylinder näherte.
    »Sie brennen dir das Hirn raus,
    verkaufen dich für blöd,
    sie woll’n dich gar nicht haben,
    weil du doch bloß störst …«
    Gerade als er den Kleisterpinsel aus dem Eimer ziehen wollte, sagte eine gehässige Stimme: »Gut erkannt, Zecke.«
    Daniel fuhr herum. Sah drei Paar Springerstiefel. Drei Bomberjacken. Drei Glatzen.
    Und irgendwo in dem sträflingsartigen Outfit auch Gesichter. Augen, die ihn hasserfüllt musterten.
    Scheiße. Drei gegen einen. Und solche Typen hatten für Fairness nichts übrig. Die wussten nicht mal, was das war.
    »Hey«, sagte Daniel behutsam, »ich will keinen Streit, okay?«
    Breites Grinsen. »Schon möglich. Aber wir vielleicht?«
    Wirf ihnen den Kleistereimer in die Fressen , durchzuckte es ihn. Und dann nichts wie ab!
    Er kam nicht mehr dazu, diesen Impuls in die Tat umzusetzen. Noch ehe er auch nur ausholen konnte, traf ihn von irgendwoher ein mörderischer Schlag, und im nächsten Moment fand er sich am Boden wieder. Sie prügelten auf ihn ein wie die Wahnsinnigen, traten ihn, bespuckten ihn, brüllten irgendwas, schrien ihren Hass raus. Unmöglich, zurück auf die Füße zu kommen. Gott, die schlugen ihn tot. Seine arme Mutter. Vielleicht würde es sogar seinem Vater leidtun. Hoffentlich ging es nicht zu lange. Fetzen von Erinnerungen zuckten ihm im Takt der Schläge und Tritte durch den Kopf. Geschichten, die er gehört hatte, von einem, den Neonazis mit Glasscherben misshandelt hatten, mit glühenden Zigaretten, mit Abflussreiniger, dem sie den Kehlkopf zertrümmerten und die Hände und schließlich den Schädel …
    Dann verlor er das Bewusstsein.
    Den Punker hatten sie fertiggemacht. Der zuckte bloß noch. Schwacher Gegner. Stachelmähne und Lederklamotten mit Nieten, aber nix dahinter. Würde ihm eine Lehre sein. Sven Dettar trat noch mal zu, rein mit dem Stiefel ins Weiche, hören und spüren, wie da was knackst in dem Körper am Boden. Geiles Geräusch.
    Dann lief auf einmal alles schief.
    Da war plötzlich ein Licht hinter ihnen. Wie Neonlicht, nur heller, aber nicht wie ein Suchscheinwerfer der Bullen, sondern irgendwie anders. Ehe Sven reagieren konnte,

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