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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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krachten zwei Schüsse, und Nico rechts von ihm und Tim links riss es nach vorne. Blut spritzte und Zeug, die beiden knallten auf den Boden neben dem Typen und hatten Löcher im Kopf und waren verdammt noch mal tot.
    Sven fuhr schreiend herum – und stand einem Engel gegenüber. Einem Engel ohne Flügel. Einem Engel in einem langen, strahlend weißen Mantel.
    Einem Engel, der in jeder Hand eine Pistole hielt.
    Und eine davon war auf ihn gerichtet.
    Der Engel sprach. Er sprach mit einer dünnen, hohen, irgendwie unwirklichen Stimme, und Sven kam es vor, als reiche der Klang dieser Stimme allein aus, einen umzubringen.
    »Von jetzt an«, sagte der Engel, »werden alle, die Schwächere oder Unschuldige angreifen, sterben. Du bist die letzte Ausnahme, die ich mache.«
    Es gab kein Entrinnen. Sven stand mit dem Rücken zur Wand, und der Typ … falls es ein Typ war … kam auf ihn zu. Die Pistole zielte auf Svens Kopf, genau zwischen seine Augen.
    »Bitte …«, würgte Sven hervor, oder zumindest versuchte er es, aber er hatte das Gefühl, nur bedeutungslose Laute zu produzieren.
    »Sag allen, dass ich von jetzt an über diese Stadt wache«, verlangte der Engel. »Und dass ich alle bestrafen werde, die sich an Schwachen vergreifen, so wie du, du Stück Scheiße.«
    Sven sah noch, wie der Arm mit der Pistole herabzuckte, hörte einen Knall, dann explodierte ein unglaublicher Schmerz in seinem Knie und ließ ihn zusammenbrechen.

6
Die Krankenwagen standen beide noch da, als Kommissar Ambick den Ort des Vorfalls erreichte. Zwei Beamte der Spurensicherung waren dabei, das Areal großzügig mit Absperrband zu sichern; zwei Gestalten in weißen Ganzkörperoveralls, die schläfrig durch die Dunkelheit tappten. Es war kurz nach zwei Uhr früh.
    »Ein Schwerverletzter – Rippenfrakturen, Hämatome, Schädeltrauma, die übliche Liste; der Patient ist bewusstlos und in kritischem Zustand«, sagte die Kollegin vom Kriminaldauerdienst, eine bullige Frau mit ausgeprägtem Unterkiefer. Sie deutete in Richtung der einen Ambulanz, hinter deren Fenster man Notärzte hektisch hantieren sah. »Der andere ist eine Schussverletzung, zertrümmertes Knie. Kann nicht mehr laufen und wird es wohl auch nie wieder können. Aber er wäre vernehmungsfähig.« Sie zeigte auf den anderen, irgendwie verlassen dastehenden Krankenwagen. »Und, wie gesagt, zwei Tote.«
    »Danke«, sagte Ambick. »Wer hat die Polizei alarmiert?«
    »Ein Anwohner, der die Schüsse gehört hat.« Sie wies auf eines der Häuser direkt am Stuttgarter Platz. Die meisten davon waren Büro- und Geschäftshäuser, aber hinter ein paar Fenstern in den oberen Stockwerken brannte Licht, und man sah die Silhouetten Neugieriger, die herausschauten. »Ein gewisser Theo Mohn.«
    Ambick nickte. »Nehm ich mir nachher gleich zur Brust.« Er betrachtete den Schauplatz. Zwei tote Skinheads, und der Schwerverletzte war, wenn er das richtig verstanden hatte, ein Punker. Sah nach einem simplen Fall aus.
    Was nicht hieß, dass er leicht zu lösen sein würde.
    »Okay,« sagte er und rieb sich die Hände. Er war müde, und wenn er müde war, kribbelten seine Finger. »Zuerst der Kunde im Krankenwagen. Der mit dem Knie.«
    Die Kollegen hatten dem Verletzten Handschellen angelegt, ihn festgebunden und sich dann selber überlassen – der permanente Personalmangel der Polizei machte sich vor allem nachts bemerkbar. Ambick stieg ein, zog die Tür hinter sich zu, setzte sich auf den Klappsitz neben der Liege und musterte den Jungen. Sein kahl geschorener Schädel erschwerte es, sein Alter zu schätzen; neunzehn Jahre vielleicht oder zwanzig. Ein Skinhead wie aus dem Klischeebaukasten, mit einer Ausnahme: In seinem Blick irrlichterte panische Angst. Das sah man bei diesem Klientel sonst eher selten. Genau genommen, nie.
    »Okay«, sagte Ambick. »Was ist passiert?« Es war zu spät am Abend, als dass er sich mit den Formalien einer Zeugeneinvernahme – Personalien klären, über den Gegenstand der Befragung informieren, über das Aussageverweigerungsrecht belehren und so fort – aufhalten wollte. Die Strafprozessordnung kannte auch die formlose informatorische Befragung; er musste dafür im Moment nur davon ausgehen, dass der Bursche mit dem zerschossenen Knie auch einfach ein unbeteiligter Passant gewesen sein könnte.
    Die Augen weit aufgerissen, flüsterte der Junge: »Da war … da war …«
    Ambick nickte auffordernd. »Ja?«
    »Da war ein Engel«, fuhr der Junge fort.
    Scheiße , dachte

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