Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Ambick.
    Eine gute Viertelstunde später kletterte er wieder aus dem Krankenwagen. Die andere Ambulanz war inzwischen abgefahren. Er zog sein Handy aus der Tasche, wählte die Nummer von Staatsanwalt Ortheil an, atmete noch einmal durch und drückte dann auf den grünen Button.
    Der Herr Staatsanwalt war eher ungehalten.
    »Ja, ich weiß, wie spät es ist«, verteidigte sich Ambick auf seine entsprechenden Vorhaltungen hin. »Ich glaube nur, Sie hätten mir morgen früh den Kopf abgerissen, wenn ich Sie nicht geweckt hätte.«
    »Da bin ich aber gespannt«, sagte Ortheil.
    Worauf Ambick berichtete, was ihm der Junge mit dem zerschossenen Knie erzählt hatte.
    Danach herrschte erst mal Stille am anderen Ende der Leitung.
    Dann Räuspern. »Und er hat wirklich gesagt, er wacht von jetzt an über die Stadt?«, fragte Ortheil in einem Ton, als sei er sich nicht sicher, das alles nicht nur zu träumen.
    »Wortwörtlich.«
    »Gnade uns Gott«, ächzte der Staatsanwalt. »Hören Sie, Ambick, diese Story darf auf keinen Fall an die Öffentlichkeit. Isolieren Sie den Zeugen. Ich beschaff gleich morgen früh einen Haftbefehl. Der setzt mir nicht solche Gerüchte in die Welt, klar?«
    »Glasklar«, sagte Ambick.
    »Und ich will, dass der Tatort diesmal nach allen Regeln der Kunst untersucht wird. Nach dem Lehrbuch, mit sämtlichen Fußnoten. Klingeln Sie die gesamte Kriminaltechnik wach, wenn es sein muss. Falls diesem angeblichen Engel auch nur eine einzige Feder aus den Flügeln gefallen ist, dann will ich die im Labor haben!«
    Das komplette Programm. Das war die Anweisung des Hauptkommissars. Also spulten sie das komplette Programm ab.
    Was in diesem Fall ein Riesenaufwand war: Weil für den Verlauf der Nacht Regen angekündigt war, überdachten sie den Tatort zunächst großräumig mit einer Schutzplane. Anschließend spannten sie ein Gitter aus Schnüren über das Areal, um jedes Fundstück einem Planquadrat zuordnen zu können, was auch weggeworfene Zigarettenkippen, Flaschenverschlüsse, Sohlenabdrücke und vieles mehr umfasste, von denen es aller Voraussicht nach jeweils Hunderte geben würde. In den frühen Morgenstunden transportierten sie schließlich die Leichen ab; nur die Umrissmarkierungen und die Nummerntafeln blieben. Um sechs Uhr dreißig öffnete endlich das Café an der Ecke, worauf die Kriminaltechniker die Sicherung des Tatorts den Kollegen von der Streife überließen und geschlossen zum Frühstück abzogen.
    »Sinnloser Aktivismus, wenn ihr mich fragt«, meinte Günther Klein nach dem ersten Schluck frischgebrühten Kaffees. »Goldlöckchen hat Angst, dass ihn der Bürgermeister nicht mehr lieb hat.«
    »Auf die Weise krieg ich meine Überstunden jedenfalls nicht rechtzeitig vor Jahresende abgebaut«, maulte Birgit Hoffmann und biss in ein Croissant, dass die Brösel flogen.
    Peter Bauer rührte schweigend seinen Kaffee um und genoss die Wärme im Café, die die Kälte der vergangenen Stunden allmählich vertrieb. Er schwieg außerdem, weil Birgit mit ihrem Job verheiratet war und immer ermahnt werden musste, ihren Urlaubsantrag einzureichen. Niemand hatte eine Vorstellung davon, was sie mit freier Zeit eigentlich anfing.
    »Ich frage mich«, sagte er, als das allgemeine Genöle nachgelassen hatte, »wie Ambick das gemeint hat von wegen, falls da ein Engel war, will er eine Feder aus seinen Flügeln im Labor haben. Sollen wir jede Feder erfassen, die wir finden? Das artet dann aus, würde ich sagen.«
    »Das war nur so ein Spruch«, meinte Günther. »Was Kommissare halt so sagen.«
    »Der Kerl mit dem zerschossenen Knie hat so was behauptet«, meinte Birgit. »Dass ein Engel aufgetaucht ist und die anderen erschossen hat.« Sie zuckte mit den Schultern. »Quatsch natürlich.«
    »Und was machen wir mit den Federn, die wir finden?«
    Birgit war nicht die Chefin, aber die Älteste und Erfahrenste in der Gruppe. »Vogelfedern, die wir identifizieren können, ignorieren wir«, meinte sie. »Aber eventuelle Engelfedern nehmen wir natürlich mit.«
    »Und du weißt natürlich, wie Engelfedern aussehen.«
    »Meine leichteste Übung«, behauptete sie großspurig.
    Als sie gestärkt, durchgewärmt und gedopt genug waren, machten sie sich auf den Rückweg zum Tatort und an die Arbeit. Sie nahmen sich Planquadrat für Planquadrat vor, jeder an einer anderen Ecke. Als der Berufsverkehr einsetzte, blieben Passanten an den Absperrbändern stehen und glotzten: Damit lernte man zu leben in dem Beruf. Irgendwann

Weitere Kostenlose Bücher