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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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dachte sie und streifte sich die Haare nach hinten, stand eine Weile so, vergaß, wozu sie hier war.
    Dann ging sie zurück ins Wohnzimmer. Schob den Vorhang vor dem Fensterbrett beiseite. Ein Blumentopf, leer. In der dunklen Erde ein Loch.
    »Oh Gott«, sagte sie.
    Wieder einmal machte ihr all das, worauf sie sich eingelassen hatte, Angst.
    Andererseits: Was hätte sie denn anderes tun können?
    Nichts.
    Zehn vor zwölf erreichte Ingo die Pforte des City-Media-Gebäudes. In der Hand trug er einen Ausdruck des Interviews, die zugehörige Datei hatte er auf einem USB-Stick in der Hosentasche.
    Wie immer warf der Pförtner nur einen flüchtigen Blick auf seinen Ausweis, sagte freundlich: »Guten Tag, Herr Praise«, und drückte die Taste, die das Schloss der Zugangstür summend freigab.
    Zu Ingos Gewohnheiten gehörte es, am Schwarzen Brett in der Eingangshalle jeweils die Stellenausschreibungen zu überfliegen. Auch heute lenkten ihn seine Schritte wie von selbst dorthin, bis ihm zu Bewusstsein kam, dass dies nicht der Augenblick dafür war.
    Weil ab heute sowieso alles anders werden würde.
    Das Büro des Chefredakteurs lag im drittobersten Stock des Westturms, direkt unter den Etagen, in denen die Herausgeber residierten, die man so gut wie nie zu Gesicht bekam. Ingo fragte sich jedes Mal, wenn er durch Rados Tür trat, ob dieser die grandiose Aussicht auf die Stadt überhaupt noch wahrnahm. Rado saß mit dem Rücken zum Fenster, drei Computerschirme neben sich, zahllose Papierstapel vor sich, und pflegte mehr oder weniger pausenlos zu telefonieren.
    Das tat er auch heute, aber im Unterschied zu sonst ließ er Ingo nicht warten, sondern würgte das Gespräch ab und fragte, kaum dass er aufgelegt hatte: »Und?«
    »Hier«, sagte Ingo und reichte ihm den Ausdruck.
    Rado sagte nicht Wow oder Prima oder so etwas, weil er nicht viel davon hielt, Mitarbeiter zu loben. Machte sie seiner Meinung nach nur eingebildet und geldgierig. Er nahm die Blätter kommentarlos, kippte seinen Sessel zurück und las.
    Je weiter er las, desto stärker furchte sich seine Stirn.
    Als er auf der letzten Seite anlangte, sah er Ingo an. »Was ist das für einer? Ein Spinner?«
    Ingo schüttelte den Kopf. »Schlecht gelaunt, aber völlig klar im Kopf. Der hat das so erlebt.«
    »Hmm.« Rado las zu Ende, warf die Blätter dann vor sich auf den Tisch, lehnte sich zurück und fuhr sich mit gespreizten Händen durch die Haare. Die Bewegung wirkte wie aus einem Kinofilm abgeschaut. »Damit würden wir uns weit aus dem Fenster lehnen.«
    »Es ist ein exklusives Interview«, sagte Ingo.
    »Schon. Aber ich weiß nicht …«
    Ingo trat dichter an den Tisch, zog den USB-Stick aus der Tasche und platzierte ihn demonstrativ neben das Manuskript. »Du hast gesagt, ein exklusives Interview mit Sassbeck wäre dein Traum. Du wolltest es, hier hast du es. Wo ist das Problem?«
    »Dass der Mann klingt wie ein Spinner.«
    »Hey«, sagte Ingo. »Du kannst mich jetzt nicht hängen lassen. Ich hab dem versprochen, dass seine Perspektive eine Stimme kriegt. Das war die Bedingung für das Gespräch.«
    »Verstehe.« Rado warf einen Blick aus dem Fenster, ganz der Chefredakteur, der unter der Last der Verantwortung für die gesellschaftlichen Konsequenzen seiner Entscheidungen ächzt. In Wirklichkeit kalkulierte er vermutlich nur Verkaufszahlen, Quoten und erzielbares Echo in der übrigen Medienlandschaft. Und natürlich vor allem sein persönliches Risiko bei der Sache.
    Schließlich kippte Rado wieder mit dem Stuhl nach vorn, drehte sich dem Schreibtisch zu. Die Entscheidung war gefallen. »Okay, wir machen es. Aber wir formulieren die Überschrift in eine Frage um, dann haben wir uns nicht festgelegt.«
    Er griff nach dem Telefon, drückte eine der zwanzig Schnellwahltasten darauf. »Mike? Stopp den Satz der ersten Seite, wir schmeißen um. Ich melde mich gleich noch mal mit dem Text.« Er unterbrach, hieb auf die nächste Taste. »Tatjana? Such das Template für exklusive Sonderstorys raus, ich hab was, das in spätestens einer Stunde online sein muss.« Dritte Taste. »Eva? Schick mir einen Grafiker, der ein Phantom zeichnen kann. Was wie Batman, nur in Weiß. Ja, sofort. Mittag essen kann er hinterher.«

7
Was für ein Tag! Ingo beeilte sich, nach Hause zu kommen. Dort fuhr er als Erstes den Rechner hoch, konnte es kaum erwarten, dass das Interview in der Online-Ausgabe erschien. Und vor allem die Reaktionen, die es auslösen würde.
    Das Interview würde als

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