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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Journalist war, die Wahrheit zu suchen. Nicht, sie zu finden – das überstieg die Möglichkeiten des Menschen. Aber sich ihr so weit zu nähern, wie es ging.
    Schließlich war Sassbeck fertig. Er schwieg und sah Ingo erwartungsvoll an.
    Ingo räusperte sich. »Ehrlich gesagt, hatte ich mit so etwas nicht gerechnet.«
    Sassbeck lachte auf, musste husten. »Meinen Sie etwa, ich?« Er legte die Hand auf die Brust, verzog das Gesicht. »Oh je. Ich darf doch nicht lachen.«
    Ingo musterte ihn, hatte Mühe, sich von den Bildern zu lösen, die Sassbecks Schilderung in ihm ausgelöst hatte, und den Mann zu sehen, der vor ihm saß. »Sie haben gebrochene Rippen?«
    »Drei Stellen«, sagte Sassbeck. »Der Arzt hat gesagt, ich könne froh sein, dass die Lunge heil geblieben ist. Wobei sich’s nicht so anfühlt.«
    Das Interview. Fragen stellen. Seine journalistische Pflicht. »Was für Verletzungen haben Sie sonst erlitten?«
    Sassbeck betastete sein Kinn. »Ein paar Zähne sind hin. An einem hat eine Brücke gehangen; die Zahnärztin hat gemeint, das wird schwierig. Langwierig. Und teuer.« Er hob die bandagierte Hand. »Angeknackst. Muss vielleicht operiert werden. Na ja – und Prellungen überall. Ob die anderen inneren Organe was abgekriegt haben, wissen sie noch gar nicht. Sagen sie.«
    »Doktor Schneider hat gesagt, du hättest Glück im Unglück gehabt«, warf Evelyn ein.
    »Ja, ja«, grummelte Sassbeck. »Mir sagt er, ich soll nicht davon ausgehen, dass ich vor Ende der Woche nach Hause kann. Das passt doch nicht zusammen. Oder sie verdienen gut an mir. Weiß man ja auch nicht, heutzutage.«
    Ingo betrachtete die Notizen auf seinem Block. Er erinnerte sich kaum, sie gemacht zu haben; sie kamen ihm ganz fremd vor. Notizen zu machen, das lief bei ihm fast reflexhaft ab. »Mich würden da noch ein paar Dinge genauer interessieren«, sagte er und sah wieder auf. »Sie haben erwähnt, die Gestalt habe geleuchtet ?«
    Sassbeck nickte. »Wie ’ne Neonröhre. So …« Er suchte nach Worten. »Von innen heraus, verstehen Sie? Deshalb sage ich ›Engel‹. Weil mir kein anderes Wort dafür einfällt.«
    »Hat er irgendetwas gesagt?«
    »Nein. Nein, er ist aufgetaucht, hat die beiden erschossen und ist wieder gegangen.«
    »Haben Sie gesehen, wohin?«
    Sassbeck schüttelte den Kopf, kurz und knapp, als schmerze ihn selbst diese Bewegung. »Ich hab nur gesehen, wie er sich wegdreht. Dann bin ich ohnmächtig geworden.« Er gab ein unwilliges Schnauben von sich. »Falls es ein Engel war, der Unschuldige beschützt, hat er ja auch jede Menge zu tun, heutzutage. Da kann ich verstehen, dass er gleich weitermusste.«
    Ingos Blick fiel auf einen Lichtfleck, der auf der Bettdecke vor Sassbecks Händen zitterte und waberte, verursacht von einem Sonnenstrahl, der ausgerechnet in diesem Moment seinen Weg durch die Wolken und das Baumgeäst vor dem Fenster fand. Es kam ihm vor, als fühle sich der Himmel bemüßigt, Zustimmung zu signalisieren. Ingos Herz pochte wild. Jagdfieber? Oder etwas anderes, Größeres?
    Der Lichtfleck erlosch wieder, das angegraute Weiß der Bettdecke kehrte zurück.
    »Glauben Sie das?«, fragte Ingo. »Glauben Sie wirklich, dass es ein Engel im Sinne des Wortes war, der Sie gerettet hat? Dass eine überirdische Macht zu Ihren Gunsten eingegriffen hat?«
    Sassbecks Gesicht verlor jeden Ausdruck. Der alte Mann blickte zur Seite. »Ich verstehe von diesen religiösen Sachen nichts. Ich denke bloß, wenn Gott … wie immer man sich den vorstellen muss … also, wenn es ein Abgesandter einer höheren Macht gewesen wäre, dann hätte er keine Pistolen gebraucht, oder? So jemand könnte den Leuten einfach das Herz stehen lassen, und aus wäre es.« Er winkte ab, ärgerlich. »Sehen Sie, und deshalb glaube ich nicht an einen Gott. Wenn der wollte, hätte der so viele Möglichkeiten, einzugreifen … Aber er tut es nicht. Unterlassene Hilfeleistung, wohin Sie schauen. Auf so einen Gott können wir auch verzichten.«
    »Sie denken also, es war trotz allem ein Mensch?«
    »Ja. Keine Ahnung, wieso er so geleuchtet hat. Aber ein himmlischer Bote war’s ganz bestimmt nicht. Auch wenn’s mir in dem Moment so vorgekommen ist.« Er sah wieder beiseite, fixierte das Aufnahmegerät auf dem Beistelltisch. »Man klammert sich halt an alles, wenn’s ans Sterben geht. Ist ein natürlicher Reflex.«
    »Aber wenn es ein Mensch war«, wandte Ingo ein, »woher wusste er, dass Sie Hilfe brauchten? Wie hat er es geschafft, genau im

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