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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Polizist den Kopf hereinstreckte und im Flüsterton erklärte, da sei jemand, der Herrn Ortheil sprechen wolle. »Ich glaube«, fügte er hinzu, »es ist der Journalist, der diese Sache mit dem Engel publiziert hat.«
    Ortheil furchte die Brauen. »Und wie wirkt er?«, wollte er wissen. »Sauer?«
    Der Polizist zuckte mit den Achseln. »Schwer zu sagen.«
    »Na ja. Soll reinkommen.« Ortheil drehte den Kopf. »Ambick, Sie beschützen mich.«
    Ambick musste unwillkürlich grinsen.
    »Zur Not mit Ihrem Leben, hoffe ich«, fügte der Staatsanwalt hinzu.
    Ambick spürte, wie sein Lächeln gefror. Das war jetzt irgendwie nicht mehr witzig.
    Doch der Mann, der schließlich eintrat, wirkte nicht gefährlich. Angespannt, ja, aber nicht aggressiv. Nicht einmal wirklich schlecht gelaunt. Er war Ende zwanzig, auffallend mager – der reinste Hungerhaken –, trug eine monströse, abgeschabte Umhängetasche aus Leder, unansehnliche Jeans, eine billige Kunstlederjacke und darunter ein schlabbriges T-Shirt.
    »Ingo Praise ist mein Name«, sagte er, an Ortheil gewandt. »Ich bin der Journalist, den Sie gestern in Ihrer Pressekonferenz runtergeputzt haben.«
    Der Staatsanwalt hob abwehrend die Hände. »Ich habe nur den Stand der Erkenntnisse dargelegt.«
    »Okay.« Der Journalist fasste in die Jackentasche, eine Bewegung, die Ambick alarmierte. Aber die Wachleute würden ihn leibesvisitiert haben, oder? »Dann habe ich hier Erkenntnisgewinn für Sie.« Er zog einen USB-Stick heraus und legte ihn vor Ortheil auf den Tisch.
    Der betrachtete das kleine schwarze Plastikteil, als sei es ein giftiges Insekt. »Was ist das?«
    »Ein Video«, sagte Praise. »Auf jedem handelsüblichen Computer abspielbar.«
    Ortheils Blick zuckte hinüber zu Ennos verlassenem Schreibtisch, dann sah er Ambick an. »Hätten Sie die Freundlichkeit …?«
    »Moment.« Ambick erhob sich, nahm den USB-Stick an sich. Es war ein klappriger Billig-Speicherstick, wie sie derzeit in allen Schreibwarenläden in Bonbongläsern an der Kasse standen; Mitnahmeartikel für ein paar Euro. Er ging damit zu einem alten Laptop, der nicht am internen Netz hing und für die Sichtung von Datenträgern bereitstand, auf denen sich Viren befinden konnten.
    Wenige Augenblicke später lief das Video.
    Ambick wurde mulmig zumute, als er begriff, was sie da sahen. Das hier war eine klare Niederlage für Ortheil. Und Staatsanwalt Lorenz Ortheil war kein Mann, der Niederlagen liebte, erst recht nicht vor Zeugen.
    »Woher haben Sie das?«, fragte Ortheil scharf.
    Der Journalist zuckte mit den Achseln. »Unwichtig. Ich habe es. Und es beweist, dass Erich Sassbeck die Wahrheit gesagt hat. Ich verlange, dass Sie diese infame Untersuchung seines Geisteszustands absagen und ihn öffentlich rehabilitieren.«
    Ambick meinte zu sehen, wie sich Ortheils goldene Lockenpracht bei diesen Worten sträubte.
    »Sie haben hier nichts zu verlangen«, dröhnte der Staatsanwalt im nächsten Moment. »Wenn hier jemand etwas zu verlangen hat, dann bin ich das. Und ich verlange, dass Sie mir sagen, woher diese Aufnahme stammt.«
    »Tja. Dumme Sache«, sagte Praise trotzig. »Die Videodatei ist mir per anonymer E-Mail zugeschickt worden. Keine Ahnung, woher sie stammt.«
    »In dem Fall muss ich Ihren Computer beschlagnahmen und untersuchen lassen.«
    »Wenn Sie darauf bestehen.« Der Journalist öffnete die Klappe seiner Umhängetasche und zog einen zerschrammt wirkenden Laptop-Computer heraus. »Bitte, das ist er.« Er legte das Gerät auf den Tisch.
    Ortheil hob das Oberteil mit spitzen Fingern an. Glas klirrte. Der Bildschirm war völlig zertrümmert.
    »Was soll das?«, fragte er unwirsch. »Das Ding ist kaputt.«
    »Ja, leider«, erwiderte der Journalist mit unverblümt geheucheltem Bedauern. »Ist mir in der Aufregung die Treppe runtergefallen. Und dummerweise wohne ich im fünften Stock.«
    »Sie treiben Spielchen mit mir, Herr Praise.« Man konnte fast sehen, wie sich dunkle Wolken über dem güldenen Haupt des Staatsanwalts bildeten. »Ich glaube, Sie wissen sehr wohl, von wem das Video stammt. Die Person, die es aufgenommen hat, ist ein wichtiger Zeuge. Ich werde Sie wegen Beihilfe zur Vertuschung einer Straftat belangen.«
    »Als Journalist habe ich das Recht, meine Quellen zu schützen.«
    »Denken Sie, ja?«, knurrte der Staatsanwalt. »Dann lesen Sie mal Paragraf 53 Absatz 2 der Strafprozessordnung. Ihr Zeugnisverweigerungsrecht entfällt, wenn Ihre Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens

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