Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Ende doch nicht so wichtig gewesen war.
    Ihr war es wichtig gewesen. Und deshalb hatte sie etwas getan.
    Doch man musste wissen, was man tun konnte .
    Ihre Benommenheit wich. Wie kam sie eigentlich darauf, dass ausgerechnet sie etwas tun musste? Sie war ja nicht die Einzige, die das Video gesehen hatte. Inzwischen hatten es wahrscheinlich Millionen gesehen, und unter denen, die es gesehen haben konnten, waren etliche – eine gute Handvoll, schätzte sie –, die die strahlende Gestalt genauso erkannt haben mussten wie sie. Die würden etwas tun. Die waren auch viel geeigneter, das Richtige zu unternehmen. Auf jeden Fall hing nicht alles an ihr.
    Das war die Lösung. Genau. Sie atmete auf, versuchte, ihrem Spiegelbild in der Fensterscheibe zuzulächeln, suchte nach Sorgenfalten, aber da waren keine. Beruhigend.
    Sie packte das Isländisch-Buch weg, schlüpfte in ihren Morgenmantel und stieg die Treppe ins Mittelgeschoss hinab, um sich die erste Tasse Kaffee des Tages zu zubereiten. Vor dem Frühstück würde sie mindestens eine Seite übersetzen. Das war ihre feste Regel, um nach dem Aufstehen in Schwung zu kommen.
    Nach dem Aufwachen schloss Theresa die Augen noch einmal und gab sich für ein paar Augenblicke der Erleichterung hin, dass die Nachtschichten jetzt vorbei waren und ihre freien Tage bevorstanden. Die sie dringend brauchte, denn die letzte Nacht hatte sie mehr oder weniger auf dem Zahnfleisch kriechend beendet.
    Leider würden die freien Tage nicht lange dauern. Schon am Montagnachmittag musste sie wieder antreten, weil Isabella krank geworden war, die einzige examinierte Krankenschwester in der Nachmittagsschicht. Und sie war die Einzige, die einspringen konnte. Ausnahmsweise, hatte es geheißen. Bloß dass dieser angebliche Ausnahmezustand schon seit langem der Normalfall war. Sie waren seit Jahren chronisch unterbesetzt.
    Diesmal würde sie nicht ans Telefon gehen, falls es klingelte, sagte sie sich, während sie aus dem Bett stieg. Damit ihr wenigstens Samstag und Sonntag blieben, egal, wer noch krank wurde.
    Aber das sagte sie sich jedes Mal. Und wenn es dann läutete, ging sie letzten Endes doch wieder dran. Irgendjemand musste die Arbeit schließlich tun. Sie hätte sich ohnehin nicht entspannen können, wenn sie wusste, dass ihretwegen Menschen litten.
    Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel, sah auf die Uhr. Schon nach drei. Der Freitag war damit so gut wie gelaufen. Erst mal einen Kaffee und zu sich kommen, danach eine Wäsche einwerfen. Ein Einkauf war garantiert auch fällig, darum würde sich Alex bestimmt nicht gekümmert haben.
    Überhaupt, Alex – der war mal wieder nicht da. In der Wohnung herrschte Stille. Sie trat auf die Schwelle des Wohnzimmers, ließ den Anblick auf sich wirken. Vor dem Fernseher lag die Zeitung auf dem Boden; es sah aus, als habe Alex gleichzeitig ferngesehen und gelesen. »Der Racheengel – es gibt ihn wirklich!« , lautete die Schlagzeile.
    Und wieder dieser Geruch. Diesmal ging ihm Theresa nach. Hinter dem Vorhang, auf dem voll aufgedrehten Heizkörper liegend, fand sie seltsame Scheiben, etwas kleiner als ihre Handfläche, daumendick und in Papiertaschentücher gehüllt. Sie nahm eines der Päckchen und schlug die Hülle beiseite. Es war ein vertrocknetes Stück Kaktus, ohne Stacheln, aber am Rand von weißen Härchen umsponnen wie von einem Kokon.
    Sie wickelte das Ding wieder ein, legte es zurück, ging in die Hocke und zog den Vorhang weiter auf. Am Boden stand die Teekanne, die sie schon vermisst hatte, der Deckel und die Ausgussöffnung sorgfältig mit Frischhaltefolie versiegelt. Ein dunkelbrauner Sud schwappte darin, voller Kräuter und Teeblätter. Was hieß das? Besser nicht daran riechen? Sie stellte die Kanne ab, setzte ihren Rundgang fort durch das, was vor drei Wochen noch ihr Wohnzimmer gewesen war.
    Auf dem Couchtisch, der Alex als Nachttisch diente, standen ein paar der kleinen Plastikdosen mit grauen Deckeln, in denen früher Diafilme verkauft worden waren. Ein weißes Pulver war darin, das alles Mögliche sein konnte – Vitamin C? Kokain? Zucker? Sie drückte den Deckel wieder darauf. Unter der Couch lag Alex’ Rucksack, halb offen. Sie sah seltsam geformte metallene Löffel herausschauen, fremdartige Werkzeuge und einen indianisch aussehenden, mit Vogelfedern und Perlen verzierten Beutel.
    Theresa verspürte den Impuls, alles zu packen und wegzuwerfen, es in einen Müllbeutel zu stopfen und sofort nach unten zu bringen, bevor heute

Weitere Kostenlose Bücher