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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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bis zu Ende antun müssen, um die Sache loslassen zu können.
    Sie aß ein zweites Brot, ganz langsam, in kleinen Bissen, die sie bedächtig kaute. Dann kehrte sie zurück an den Computer wie zur Entgegennahme einer Strafe, rief den Browser neu auf, die Website des Abendblatts , das Video.
    Alles in ihr krampfte sich zusammen, als sie die Jungen wieder auf den Mann eintreten sah, mit voller Wucht, erbarmungslos, wie verrückt. Ja, verrückt: Die beiden mussten wahnsinnig sein, so etwas zu tun. Unbegreiflich, dass so jemand frei herumlaufen durfte –
    Da. Was war das? Eine helle, wie von innen heraus strahlende, fast unwirklich aussehende Gestalt tauchte auf, trat hinter die beiden Prügelnden, hob die Arme.
    Dann war das Video zu Ende. Jemand schrie.
    Victoria begriff mühsam, dass der Schrei aus ihrer eigenen Kehle gekommen war. Sie schlug die Hände vor den Mund, starrte den Bildschirm an, konnte nicht fassen, was sie sah.
    Sie wusste , wer die leuchtende Gestalt war!

10
Am Freitagmorgen kurz nach neun Uhr hielt ein Kleinbus mit dem Logo einer renommierten Baufirma vor den Gittern, die die Heisigstraße für den Durchfahrtsverkehr sperrten. Fünf Männer und eine Frau stiegen aus. Drei der Männer trugen dunkelblaue Arbeitsoveralls, zwei trugen Anzüge. Die Frau hatte ein figurbetontes Kostüm an, das etwas zu leicht schien für den kühlen Wind, der an diesem Morgen von Dahlow her wehte.
    »Die Bezeichnung Europasiedlung gibt das Thema ja vor«, sagte ein breitschultriger, glatzköpfiger Mann, der die anderen überragte. »Integration. Vereint in Verschiedenheit: das Motto der Europäischen Union. Darum geht es. Jung und Alt, Arm und Reich, Alt und Neu. Und wohnen und arbeiten – das heißt, der Wohnbereich hier draußen umgibt das Europacenter.« Während der ganze Tross straffen Schrittes die Heisigstraße entlangmarschierte, gestikulierte er mit weit ausholenden Bewegungen, wie um die Konturen der Dinge zu beschwören, die in dem Brachland jenseits der alten Häuser entstehen sollten. »Ein Haus der Innovation. Als Technologiezentrum zu denken, zum Beispiel. Moderne, webbasierte Dienstleistungen. Da ist viel vorstellbar, und die Architektur muss all dem Raum geben.«
    An der Lücke in der Häuserzeile hielt der Architekt inne, betrachtete den einsamen Baum versonnen. »Schön«, sagte er, zückte sein Smartphone und machte ein Foto. Der Blick ging in südöstliche Richtung, wo die Sonne gerade dramatische Wolken von hinten beleuchtete und zu einem eindrucksvollen Hintergrund aus goldgeränderten, wilden Grautönen verzauberte.
    »Geradezu märchenhaft«, fuhr der Architekt fort und deutete auf den Baum. »Das ist ein Walnussbaum. Die brauchen ewig, bis sie so groß werden. Herr Krause, wir sollten uns überlegen, wie wir den über die Bauarbeiten retten. Wir könnten die Grünzone hierher verlegen. Machen Sie doch eine Notiz. Schutzzaun. Bewässerungsanlage. Und ein Gutachten über den Zustand. Obwohl – der ist gesund, das sieht man.«
    Der andere Mann im Anzug holte ein Notizbuch hervor und kritzelte eifrig hinein.
    »Okay.« Der Architekt marschierte weiter, deutete auf die gegenüberliegende Häuserzeile. »Hier geht es darum, Bausubstanz zu erhalten. Alt und Neu vereinen, wie gesagt, außerdem erschwinglichen Wohnraum für niedrigere Einkommen. Wobei man sich auch schöne Cafés, Ateliers, Ladenpassagen und dergleichen vorstellen kann. Schauen Sie sich nur das alte Mauerwerk an. Ziegel. Das ist wunderbar, das kriegen Sie so heute nicht mehr.« Er deutete auf eine Tür, die nicht vernagelt war. »Gehen wir einfach mal rein.«
    Er ging voraus, stieß die Tür auf, seine Irritation überspielend. Dass die Zugänge zu den baufälligen Gebäuden nicht alle gesichert waren, verstieß gegen die Sicherheitsvorschriften. Er durfte nicht vergessen, Krause anzuweisen, sich darum zu kümmern. Nachher. Unnötig, dass die Frau vom Stadtplanungsamt das mitbekam.
    »Nur herein in die gute Stube«, fuhr er munter fort. »Die Innenwände sind, das sehen Sie ja, größtenteils unbrauchbar. Das gibt uns die Chance, moderne Grundrisse zu verwirklichen, die Isolation zu verbessern und damit die Energiebilanz, und so weiter und so fort.«
    Er trat durch die nächstgelegene Tür und blieb stehen, als sei er gegen eine Glasscheibe geprallt. Er sah eine Matratze und eine aufgeregt aufsteigende Wolke von Fliegen, und dann erst begriff er, was er da sah.
    »Oh mein Gott.« Hinter sich hörte er würgende Geräusche und das

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