Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Plätschern von Erbrochenem. »Oh. Mein. Gott.«
    »Die Fotos haben wir bei einem der Getöteten auf dem Mobiltelefon gefunden«, sagte Ambick und legte dem Staatsanwalt die großformatigen Abzüge hin. »Sie sind auf Mittwochnachmittag datiert. Das erlaubt uns, den Zeitpunkt des Vorfalls quasi auf die Minute genau zu bestimmen.«
    Ortheil runzelte die Stirn. »Sie waren im Begriff, das Mädchen zu vergewaltigen.«
    »Ja«, sagte Ambick. »So sieht es aus. Sie ist allerdings auf keinem der Fotos zu identifizieren.«
    »Jedenfalls nicht anhand ihres Gesichts«, murmelte der Staatsanwalt unbehaglich.
    Ambick räusperte sich. »Kader geht gerade mit den Kollegen von der Sitte die gemeldeten Fälle durch. Vielleicht hat sie Anzeige erstattet.«
    Ortheil sah skeptisch hoch. »Glauben Sie das?«
    »Nein«, gab Ambick zu.
    Der Staatsanwalt schob die Fotos zusammen, legte das unverfänglichste davon obenauf und gab ihm den Stapel zurück. »Ganz große Scheiße, das alles«, stieß er hervor. Er strich sich die Haarpracht aus dem Gesicht. »Der Fall hat hiermit höchste Priorität. Bilden Sie eine Sonderkommission; ich rede nachher mit Kriminalrat Schulz deswegen. SOKO Todesengel, von mir aus. Unter Ihrer Leitung. Betrachten Sie sich und Kader als von allen anderen Fällen entbunden.«
    Ambick nickte nur. Die Pinnwand war ohnehin bereits fast vollständig von Material über diesen Fall mit Beschlag belegt. Auch die Fähnchen auf dem Stadtplan betrafen mittlerweile alle den Racheengel. Oder Todesengel. Wie auch immer. Acht Tötungsdelikte innerhalb einer Woche, das war heftig.
    »Gestern hat mich der Oberbürgermeister angerufen«, fuhr Ortheil fort. »Er war äußerst besorgt, nicht nur wegen der bevorstehenden Wahlen. Wir müssen diesen Todesengel schnappen. Unbedingt, und möglichst bevor er noch mehr Leute umbringt. Dieser Mann muss vor ein Gericht. Und ich prophezeie Ihnen eines, Ambick: Das wird der Prozess des Jahrzehnts. Am Verfahren gegen diesen Kerl wird sich entscheiden, ob die Vernunft die Oberhand behält oder ob sich unsere archaischen Instinkte wieder ungezügelt Bahn brechen.«
    »Sie denken wirklich, es ist so ernst?«
    »Schauen Sie sich den Fall aus der Perspektive des Strafgesetzbuches an.« Ortheil stand federnd auf und begann, auf und ab zu gehen, als doziere er vor Jurastudenten. »Oberflächlich betrachtet haben wir es womit zu tun? Der Volksmund sagt, mit Notwehr, der Jurist, mit Not hilfe: Ein Mann wehrt einen Überfall nicht auf sich selbst, sondern auf einen anderen ab. Außerdem haben wir es mit einem Notwehr exzess zu tun, denn der Täter greift, ohne die Angreifer anzusprechen, einen Warnschuss abzugeben oder dergleichen, sofort zum maximalen Mittel und tötet sie. Ein Notwehrexzess ist rechtswidrig, kann aber straffrei bleiben, wenn der Täter aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken gehandelt hat.«
    »Paragraf 33 Strafgesetzbuch«, murmelte Ambick und nickte. Das war das Erste, was er nachgeschlagen hatte.
    Ortheil schien ihn nicht zu hören. »Aber hat er das? Die Kleidung, die der Täter trägt, spricht dagegen. Das ist keine Kleidung, das ist eine Aufmachung. Ein Kostüm. Das Kostüm eines Superhelden, wie dieser ungewaschene Journalist ihn genannt hat. Der Mann da auf dem Bild ist kein zufälliger Passant, sondern jemand, der nach Schlägereien sucht, in die er eingreifen kann. Wer sich so kostümiert, hat die Absicht, Selbstjustiz zu üben; zumindest aber leiten ihn sogenannte sthenische Affekte wie Wut, Zorn oder Geltungssucht – und ich wette ein Jahresgehalt darauf, dass es vor allem Letzteres ist.« Er nickte, schien seiner Ansprache nachzuschmecken und sie schon mal abzuspeichern als eine Art ersten Entwurf seines Plädoyers.
    Ambick räusperte sich. »Aber wie hat er es geschafft, im genau richtigen Moment aufzutauchen?«
    »Was?« Der Staatsanwalt sah ihn irritiert an. »Zufall. Ganz unspektakulär. Da brauchen wir nichts hineinzugeheimnissen, glaube ich. Wir wissen ja nicht, wie lange er schon auf der Suche war. In dieser Stadt passiert so viel, da braucht einer nur lange genug herumzulaufen, dann gerät er auch an irgendwas.«
    Drei Zufälle in vier Tagen? Ambick runzelte die Stirn, verkniff sich einen Kommentar hinsichtlich der Wahrscheinlichkeiten. Stattdessen sagte er: »Ich finde das beunruhigend. Wieso prügeln so viele junge Leute? Vor allem: warum so brutal, so ohne jedes Gefühl, es mit einem anderen Menschen zu tun zu haben? Als ich sechzehn, siebzehn, achtzehn war, hab

Weitere Kostenlose Bücher