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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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die Wohnung, eine Vision vor Augen, wie er vor all den Leuten stand und kein Wort herausbrachte. Natürlich würde es gerade die Angst zu versagen sein, die ihn versagen lassen würde, das war ihm schon klar.
    Aber es half nichts, das zu wissen.
    Eine Katastrophe.
    Er musste sich beruhigen. Das war nur ein Panikanfall. Eine Art Krankheit, die es zu überwinden galt. Er musste sich nur entspannen, ein wenig Zuversicht aufbauen und sich dann darauf verlassen, dass er das irgendwie schaffen würde. Dreißig Minuten, was war das schon? Und er brauchte ja nur die Fragen zu stellen. Fragen stellen konnte er doch.
    Entspannen. Genau …
    Das Telefon klingelte. Rado, der alles abblies! Bestimmt! Mit einem Satz war Ingo aus dem Sessel und beim Apparat, riss den Hörer ans Ohr und rief begeistert: »Ja?«
    »Hallo. Ich hoffe, ich störe nicht?«
    Es war nicht Rado. Es war eine dunkle Frauenstimme, die ihm vage bekannt vorkam.
    »Sassbeck«, sagte sie. »Evelyn Sassbeck.«
    »Ach so.« Gott, war das peinlich. Er hatte sie nicht erkannt. Er war so mit dem morgigen Tag beschäftigt gewesen, dass er ihre Stimme einfach nicht erkannt hatte! »Entschuldigen Sie, ich war in Gedanken –«
    »Schon okay.« Sie räusperte sich. »Nach meinem letzten Anruf konnten Sie ja nicht erwarten, dass ich mich je wieder melde.«
    »Ach so. Nein, deswegen nicht, es ist nur –« Er unterbrach sich, holte tief Luft. »Kein Problem. Wie geht es Ihnen?«
    Sie lachte, ein dunkles, melancholisches Lachen. »Oh, fragen Sie mich lieber nicht. Mein Schwiegervater ist doch noch vor dem Wochenende entlassen worden, und seither bin ich zu nichts mehr gekommen.«
    »Verstehe.«
    »Er will sich nicht helfen lassen. Er sieht nicht ein, dass er im Moment nun mal Hilfe braucht. Also muss ich nicht nur das Nötigste für ihn einkaufen und die Wohnung ein bisschen putzen, sondern mich nebenher auch ständig rechtfertigen, dass ich das tue. Kränkt ihn in seiner Mannesehre oder so. Aber der Arzt hat nun mal gesagt, er soll sich noch ausruhen und nichts Schweres tragen. Rippenbrüche eben. Die kann man ja nicht in Gips legen.«
    Ingo merkte, dass er es genoss, ihre Stimme zu hören. »Wie geht es ihm denn?«
    »Ach, im Grunde wieder ganz okay. Die blauen Flecken sind zum größten Teil abgeschwollen, man sieht fast nichts mehr. Na ja, ein paar gelbe Stellen. Wer guckt schon so genau hin? Er hat versprochen, dass er sich regelmäßig Eisbeutel drauflegt. Und so eitel ist er doch, dass ich glaube, er macht das sogar.« Sie lachte noch einmal. Kurz. »Ihr Artikel hat ihm gefallen. Mir auch. Ich habe ja gedacht, Sie sind wie all die anderen Journalisten, aber dann … wie Sie dieses Video aus dem Hut gezaubert haben …«
    »Das war Zufall«, sagte Ingo rasch. »Glück, besser gesagt.«
    »Tut mir echt leid, dass ich Sie neulich so angeblafft habe. Ich hab wirklich gedacht, man kann niemandem mehr trauen heutzutage …«
    »Kann ich verstehen.«
    »Ich würde es gern wiedergutmachen. Hätten Sie vielleicht Lust, morgen Nachmittag zum Kaffee vorbeizukommen? Ich habe heute auch einen Kuchen gemacht, der mir richtig gut gelungen ist.«
    Ingo spürte etwas in seiner Brust, das sich anfühlte, als mache sein Herz einen begeisterten Luftsprung. »Oh, das wäre toll, aber morgen Nachmittag geht es leider nicht.« Und ehe er wusste, was er tat, erzählte er ihr von der Sendung.
    »Ehrlich? Im Fernsehen?«
    »Ja. Vorausgesetzt, ich sterbe nicht noch heute Abend vor Lampenfieber.«
    Sie lachte wieder, herzhaft diesmal. »Ach, das glaub ich nicht. Ich finde es bewundernswert, dass Sie das machen. Anwalt der Opfer – das ist großartig.«
    »Finden Sie?« Ihre Begeisterung hatte etwas Ansteckendes. Er begann fast selber, es großartig zu finden. Ja, brauchte der Racheengel denn nicht jemanden, der für ihn sprach? Jemanden, der verstand, was ihn antrieb? Jemanden wie ihn, Ingo Praise?
    »Ich bin überzeugt, das wird ein Erfolg«, bekräftigte sie. »Wissen Sie was? Dann kommen Sie doch abends, zum Abendessen. Wann ist die Sendung aus?«
    »Weiß ich nicht genau. Sie wird nachmittags aufgezeichnet. Auf jeden Fall wird sie um achtzehn Uhr ausgestrahlt.«
    »Das heißt, dass Sie um die Zeit auf jeden Fall fertig sind. Wie wäre es dann um halb acht? Falls Sie nichts anderes vorhaben, natürlich. Ich weiß nicht, vielleicht wollen Sie ja noch mit den Leuten vom Sender danach was trinken gehen oder so. Ich will mich nicht aufdrängen.«
    »Nein, nein, Sie drängen sich doch nicht auf.

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