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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Internet. Dreifach, eigentlich.« Er fuhr sich mit der gespreizten Hand durch die Haare. »Ich bin unterbezahlt, merk ich gerade mal wieder.« Er blätterte in seiner dicken Mappe. »Weißt du vielleicht noch jemanden, den wir einladen könnten?«
    Puh. Ingo kratzte sich am Kopf, dachte nach.
    »Vor ein paar Jahren hab ich mal einen gewissen Gerd Svende interviewt«, fiel ihm schließlich ein. »Das wollte damals bloß niemand drucken.«
    »Was war mit dem?«
    »Der war zusammen mit einem Freund unterwegs, ist von fünf betrunkenen Typen angepöbelt und bedroht worden und hat sich mit einer Geflügelschere verteidigt, die er gerade gekauft hatte.«
    Rado hob die Brauen. »Mit einer Geflügelschere ?«
    »Genau. Er hat einen der Angreifer so schwer verletzt, dass eine Not-OP nötig war. Svende ist danach wegen Körperverletzung zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden, von denen er zwanzig Monate absitzen musste, bis der BGH das Strafmaß reduziert hat.«
    »Unser Mann«, befand Rado und zückte sein Telefon. »Weißt du zufällig seine Nummer?«
    »Auswendig? Nein.« Ingo schüttelte den Kopf. »Außerdem ist das, wie gesagt, Jahre her.«
    Rado war schon im Internet. »Svende, Gerd. Stadtteil Niederehrenfeld. Kann er das sein?«
    »Möglich. Passiert ist es im Oberbucher Park, in der Nähe des Baumarkts.«
    »Kenn ich, ist ja quasi meine Nachbarschaft. Aus dem Baumarkt stammen meine Tapeten«, sagte Rado und wählte die Nummer.
    Es dauerte keine fünf Minuten. Nach dem, was Ingo mitbekam, erklärte sich Svende mehr oder weniger sofort bereit. Rado regelte gleich alles, was es hinsichtlich der Ankunftszeit im Studio, der Reisespesen, der Aufwandsentschädigung und der wesentlichen Bedingungen des Mitwirkungsvertrags zu regeln gab. »Na also«, meinte er zufrieden, als er das Telefon wieder wegsteckte. »Die Leute springen im Viereck, nur um mal ins Fernsehen zu kommen. Das ist das ganze Geheimnis.«
    Allmählich verstand Ingo, wieso das Konzept der Sendung funktionierte.
    Aber mit ihm als Moderator? Wie kam Rado auf die Idee, er könne dafür der Richtige sein? Eine solche Sendung zu moderieren war doch etwas völlig anderes, als einen Haufen aufgedrehter Kids über Trampoline hüpfen oder Lieder singen zu lassen!
    Nicht drüber nachdenken.
    Noch mehr Leute, die für die Sendung wichtig waren, tauchten auf. Hände wurden geschüttelt, Zeitpläne besprochen, Sitzordnungen, Ausstattungen, Introvideos, Einspieler, Änderungen des Schriftzugs. Es wurde viel genickt, viel Kaffee getrunken, und alle wirkten sehr, sehr locker.
    Klar, sagte sich Ingo. Die blieben ja auch alle im Hintergrund. Die würde es nicht treffen, wenn er sich blamierte.
    Er spürte einen Druck um die Brust, als habe ihm jemand einen eisernen Reifen umgelegt, und konnte sich nichts mehr merken, keine Namen, keine Funktionen, nichts.
    Zu Hause schaltete Ingo gleich den Fernseher ein. Es dauerte tatsächlich keine zehn Minuten, bis der erste Trailer für Anwalt der Opfer kam. Er war montiert aus Bildern verletzter Menschen und Teilen des Videos vom Einschreiten des Racheengels. Sehr effektvoll gemacht.
    Und am Schluss hieß es: Moderator Ingo Praise . Zusammen mit einem Videobild, das ihn in Zeitlupe zeigte, wie er den Kopf drehte. Beeindruckend. Auch wenn Ingo keine Ahnung hatte, woher diese Aufnahme stammte.
    Er schaltete um. Der Trailer lief auf allen Kanälen, die mit City-TV verbandelt waren.
    Anwalt der Opfer. Ingo Praise. Montag, achtzehn Uhr. Natürlich auf City-TV.
    Ingo schlief sehr schlecht in dieser Nacht.

12
Ich gehe durch die Nacht. Meine Beine tragen mich, bewegen sich unermüdlich, Kilometer um Kilometer. Die Sohlen meiner Schuhe berühren den Boden kaum, gleiten über den Asphalt, mühelos. Ich brenne. Bin Flamme. Bin ein unsichtbares Licht im Dunkel.
    Seit es aufgehört hat zu regnen, ist alles still. Es ist, als sei das Leben in der Stadt erloschen. Die einzigen Schritte, die ich außer den meinen höre, sind die von Katzen, die die Nacht auf ihren eigenen Wegen durchstreifen.
    Ich gehe und gehe. Immer neue Straßen, immer neue Pfade. Ich muss nicht überlegen, nicht nachdenken, nicht entscheiden. Was geschieht, geschieht von selbst; alles, was ich tun muss, ist, es geschehen zu lassen. Mein Weg ist vorbestimmt: Seit ich das akzeptiert habe, ist alles einfach.
    Gehe mit den Dingen, und alle Dinge werden zur Symphonie. Ergebe dich dem Fluss der Ereignisse, und die Ereignisse fließen dir zu. Lass geschehen, was geschieht,

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