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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Haft verurteilt.«
    »Wegen?«
    »Wegen versuchten Totschlags.«
    »Weil Sie sich verteidigt hatten. Sich und ihren Freund.«
    Svende schluckte mühsam. »Nun … heute tut mir das alles natürlich sehr leid. Der Junge, den ich verletzt habe, war ein sportliches Talent gewesen und hätte es als Ringer weit bringen können. Daran ist nach all dem nicht mehr zu denken. Ich habe mich bei ihm für mein Verhalten entschuldigt und mich auf Anraten meines Anwalts mit ihm außergerichtlich auf ein Schmerzensgeld geeinigt, elftausend Euro, die ich bezahlt habe, sobald ich konnte.«
    David Mann mischte sich ein. »Wie beurteilen Sie diesen Vorfall heute, wenn ich fragen darf?«
    »Nun«, sagte Gerd Svende behutsam, »ich sehe heute, dass ich in dem Augenblick überreagiert habe. Ich hätte die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren müssen, auch in so einer Situation.«
    »Und wie hätten Sie das tun können?«, wollte der Krav-Maga-Lehrer wissen.
    »Indem ich zuerst einmal drohe, beispielsweise.«
    »Drohen? Mit einer Geflügelschere ?« David Mann hob die Augenbrauen. »Um was zu erreichen? Dass die sich kranklachen?«
    »Das nicht. Aber sie hätten die Chance gehabt, es sich anders zu überlegen.«
    »Bis zu dem Moment, in dem die auf Sie und Ihren Freund los sind, hatten die doch jede Menge Chancen, es sich anders zu überlegen. Wieso denken Sie, dass Sie verpflichtet waren, ihnen noch mehr Chancen zu gewähren?«
    Svende musterte ihn ratlos. »Jeder Mensch verdient eine zweite Chance.«
    »Haben Sie eine zweite Chance bekommen?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Was machen Sie heute beruflich?«
    »Eine Umschulung zum –«
    »Das heißt, Sie haben keinen Job als Informatiker bekommen.«
    »Ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben.«
    »Sie haben keinen Job bekommen, weil Sie im Gefängnis waren. Stimmt das?«
    Svende zögerte. Räusperte sich. »Das kann sein. Dass das eine Rolle spielt.«
    »Wovon haben Sie die elftausend Euro Schmerzensgeld bezahlt?«
    Svende presste die Lippen kurz zusammen, ehe er antwortete. »Zum Teil von Erspartem. Für den Rest hab ich mein Auto verkauft, ein Geschenk meiner Eltern.«
    »Finden Sie nicht«, fragte David Mann, »dass bei Ihrem Prozess Täter und Opfer praktisch vertauscht worden sind?«
    Svende lachte auf, aber sein Gesicht blieb seltsam starr, und sein Lachen klang fast wie ein Schluchzen. »Oh je. Sagen Sie das bloß nicht zu laut. Das hat mein Verteidiger damals gesagt, vor Gericht. Der Richter ist ausgeflippt. Fand das unerhört.«
    »Unerhört?«
    »Ja. Er hat einen roten Kopf gekriegt und gebrüllt, das sei eine drastische Behauptung, und so etwas habe er noch nie erlebt, das sei unerhört.«
    David Mann beugte sich vor. »Und Sie? Fanden Sie die Aussage Ihres Verteidigers auch unerhört?«
    »Also …« Svende sah beiseite, fingerte am Kragen seines Hemdes. »Im ersten Moment dachte ich natürlich, dass … ja, dass er da … nicht so falschliegt, aber andererseits … andererseits …« Er hustete. »Wie gesagt. Heute ist mir klar, dass es so nicht geht.«
    »Was denken Sie denn, das Sie falsch gemacht haben?«, fragte Mann.
    »Ich habe zu mehr Gewalt gegriffen, als notwendig gewesen wäre.«
    »Und woher hätten Sie in dem Moment wissen sollen, wie viel Gewalt notwendig gewesen wäre?«
    Svende musterte den Kampflehrer unbehaglich. »Das sollten Sie vielleicht besser den Richter fragen.«
    »Denken Sie im Ernst«, insistierte David Mann, »Sie hätten darauf vertrauen sollen, dass Sie davonkommen, ohne sich mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen? In einem Kampf zwei gegen fünf?« Er beugte sich zu dem Ingenieur hinüber. »Angenommen, Sie würden heute auf dem Nachhauseweg wieder angegriffen, zusammen mit Ihrer Frau oder einem guten Freund – würden Sie diesmal wirklich Mäßigung walten lassen?«
    Gerd Svende wand sich. Sah zur Seite, schluckte, atmete schwer. »Nein, verdammt«, stieß er hervor. »Ich würd’s wieder ganz genauso machen. Ich würd mich wieder verteidigen, so gut ich kann.« Er rutschte an den Vorderrand seines Sessels, richtete sich auf, die Worte brachen förmlich aus ihm heraus. »Und ehrlich gesagt denke ich heute noch, dass ich zu Unrecht verurteilt worden bin. Dass die im Gefängnis hätten sitzen sollen, nicht ich. Es war deren Entscheidung, einen Streit anzufangen, nicht unsere. Wir wollten einfach nur ins Kino. Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre überhaupt nichts passiert, verstehen Sie? Überhaupt nichts. Wir haben die nicht provoziert.

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