Todesengel
ließ vor Schreck die Glasschale mit den Schokoriegeln auf den Marmorboden fallen, wo sie in Hunderte von Einzelteilen zersprang.
Vergeblich versuchte Angela, gegen den Mann anzukämpfen und sich aus seinem Griff zu befreien. Er war zu stark, und weil er sie in einer Art Würgegriff gefangen hielt, konnte sie lediglich ein paar gedämpfte Ächzlaute von sich geben.
»Halten Sie die Klappe, oder ich bringe Sie um!« keuchte der Mann ihr ins Ohr. Dann schüttelte er Angelas Kopf so heftig, daß ihr ein stechender Schmerz den Rücken hinunterjagte. Da gab sie ihren Widerstand auf. Der Mann schaute sich in der Diele um und bemühte sich zu erkennen, ob irgendjemand im Flur oder in der Küche war.
»Wo ist Ihr Mann?« fragte er.
Angela war nicht imstande, zu antworten. Ihr war auf einmal so schwindelig, daß sie Angst hatte, ohnmächtig zu werden.
»Ich werde Sie jetzt loslassen«, raunzte der Mann sie an. »Wenn Sie schreien, erschieße ich Sie. Haben Sie das kapiert?« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schüttelte er Angelas Kopf noch einmal so heftig, daß ihr vor Schmerz die Tränen in die Augen schossen. Dann ließ der Mann sie los. Sie stolperte einen Schritt nach hinten, konnte sich aber gerade noch auf den Beinen halten. Ihr Herz jagte vor Angst, denn sie wußte, daß Nikki oben in der Badewanne lag. Sie bedauerte jetzt, daß sie Rusty vorübergehend in die Scheune gesperrt hatte; doch bei all den Kindern, die am Halloween-Tag an die Haustür kamen, war er nicht mehr zu bändigen gewesen. Angela nahm ihren Angreifer genauer unter die Lupe. Er hatte sich eine groteske Reptilienmaske über sein Gesicht gezogen. Die schuppige Haut wirkte beinahe echt. Aus einem Mund voller spitzer Zähne hing schlaff eine rote Zunge, die in der Mitte gespalten war. Angela bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Was sollte sie tun? Was konnte sie überhaupt tun? Als sie den Mann noch einmal musterte, sah sie, daß er eine Pistole in der Hand hielt.
»Mein Mann ist nicht zu Hause«, brachte Angela schließlich hervor. Ihre Stimme klang heiser, weil der Mann sie so heftig gewürgt hatte. »Und wo ist Ihre Tochter?« fragte er. »Sie ist unterwegs und zieht mit ihren Freunden von Haus zu Haus«, erwiderte Angela.
»Wann kommt Ihr Mann nach Hause?« wollte der Maskierte jetzt wissen.
Angela zögerte einen Augenblick, denn sie wußte nicht, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte. Doch plötzlich packte der Eindringling wieder so kräftig ihren Arm, daß sich sein Daumennagel in ihre Haut bohrte. »Ich habe Ihnen eine Frage gestellt«, fuhr er sie an. »Er kommt bald«, keuchte Angela mühsam. »Gut«, entgegnete der Mann. »Dann warten wir auf ihn. Und in der Zwischenzeit wollen wir uns ein wenig in Ihrem Haus umsehen, um sicherzugehen, daß Sie mich nicht angelogen haben.«
»Ich würde Sie doch nicht anlügen«, wisperte Angela. Der Mann versetzte ihr einen Stoß und schubste sie ins Wohnzimmer.
Nikki war nicht mehr in der Badewanne. Sie hatte ihr Bad schon vor einer ganzen Weile beendet. Als es an der Haustür geklingelt hatte, war sie schnell in ihr Zimmer gelaufen, um sich anzuziehen und ihre Maske wieder aufzusetzen. Sie wollte unbedingt an der Haustür sein, bevor die Kinder weiterzogen, denn sie wollte deren Kostüme sehen und sie mit ihrem eigenen erschrecken. Sie hatte gerade den oberen Treppenabsatz erreicht, als sie hörte, wie die Glasschale auf den Boden krachte. Sie war wie angewurzelt stehengeblieben und hatte von oben beobachtet, wie ihre Mutter mit einem Mann kämpfte, der sein Gesicht hinter einer Reptilien-Maske verbarg. Nachdem sie ihren anfänglichen Schock überwunden hatte, rannte Nikki über den Flur ins Schlafzimmer ihrer Eltern und stürzte sich auf das Telefon. Doch es war kein Freizeichen zu hören. Die Leitung war tot. Sie lief zurück in den Flur und lugte vorsichtig über das Treppengeländer. Genau in diesem Augenblick sah sie ihre Mutter mit dem Mann im Wohnzimmer verschwinden. Nikki wagte sich bis zur obersten Treppenstufe, um besser hinuntersehen zu können. Die Schrotflinte lehnte noch immer am untersten Pfosten des Treppengeländers. Als ihre Mutter und der Reptilienmann plötzlich wieder aus dem Wohnzimmer kamen, mußte Nikki schnell einen Schritt zurückspringen, um nicht entdeckt zu werden. Sie hörte, wie das zerbrochene Glas der Süßigkeitenschale unter den Füßen der beiden knirschte. Dann waren keine Schritte mehr zu hören. Dafür drangen jetzt gedämpfte Stimmen an
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