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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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seine Freizeitkleidung und ein kleiner Rollkoffer, der hinten im Kofferraum lag, hatten etwas Förmliches. Maries Outfit war, wie er fand, durch und durch studentisch: Jeanshose, T-Shirt, Turnschuhe, keine Strümpfe.
     
    Knobel fuhr von der Brunnenstraße zum Borsigplatz, folgte von dort der Hannöverschen Straße Richtung Osten, bog in Wambel auf die B 236 Richtung Schwerte ab und nach dem Tunnel auf die B 1 Richtung Unna bis zur Abfahrt Flughafen. Knobel steuerte den Wagen in eines der Parkhäuser für Langzeitparker, zog ein Ticket und setzte den Wagen vorsichtig in eine Parklücke, an die links eine Mauer anschloss.
    »Da kann schon mal keiner seine Tür reinhauen«, bemerkte er und ignorierte Maries Augenrollen. Die spießige Wertschätzung seines Kanzleidienstwagens war während ihres rund eineinhalbjährigen Zusammenseins unverändert geblieben und von Marie, die sich für Autos nicht im Ansatz interessierte, auch nie kommentiert worden bis auf die wenigen Gesten, mit der sie ihr Unverständnis für sein Gehabe andeutete.
    Das Gefühl von Ferne stellte sich bei Knobel bereits auf dem Weg vom Parkplatz zum Abfertigungsgebäude ein, wie es sich an dieser Stelle bei ihm immer einstellte, selbst wenn er für die Kanzlei nur kurze Geschäftsflüge nach München, Stuttgart oder Berlin von Dortmund aus antrat. Auf den wenigen 100 Metern vom Parkhaus zum Abfertigungsgebäude konnte man links über die Balustrade auf das Rollfeld mit seinen vielen Lichtern und weiter über die Startbahn hinaus über die Vororte Asseln und Wickede hinweg bis zum Greveler Wasserturm sehen. Was die besondere Atmosphäre jedoch ausmachte, war der durch die Luft wabernde Kerosingeruch und die lauten Geräusche der Düsentriebwerke der sich in Bewegung setzenden Maschinen. Geräusche und Gerüche waren nicht wirklich schön, aber für Knobel machten sie Ferne aus und ließen ihn bereits Dortmund hinter sich lassen, als sie die Abfertigungshalle betraten.
     
    Als sie eingecheckt hatten und bei einem Kaffee zum Stückpreis von drei Euro auf das sogenannte Boarding warteten, fragte Marie, ob Knobel den Galeristen Möller gebeten habe, mit Gregor Pakulla Kontakt aufzunehmen und ob er seinen Mandanten zur Zahlung eines weiteren Honorarvorschusses aufgefordert habe. Knobel bejahte beide Fragen und Marie setzte nach:
    »Und? Hat sich Pakulla bei dir gemeldet und dir von dem Anruf des Galeristen berichtet?«
    Knobel verneinte.
    »War Gregor Pakulla über die weitere Vorschussanforderung verärgert?«
    Knobel verneinte abermals.
    Marie grinste vielsagend und kostete ihr Vergnügen erst aus, als das Flugzeug abgehoben hatte, sie rechts unter sich noch die platanengesäumte B 1, den Westfalenpark mit Florianturm und den eiförmigen Wallring erkennen konnten, bevor das Flugzeug eine Wolkendecke durchbrach, Städte und Landschaften darunter versinken ließ und grenzenlose Weite über den Wolkentürmen die Fluggäste in ihren Bann zog.
    »Ich war gestern noch bei Frau Klingbeil«, begann sie und Knobel spürte ihr Verlangen, eine ungeheuerliche Entdeckung preiszugeben, deren Enthüllung ihr auf den Nägeln brannte.
    »Du erinnerst dich, was Frau Klingbeil über Sebastian Pakulla gesagt hat«, fragte sie.
    Knobel mochte diese Art der Befragung nicht. Er drängte auf Ergebnisse. »Nein, sag schon!«
    »Nein! Versuch dich daran zu erinnern. Ich bin auch erst durch längeres Nachdenken darauf gekommen.«
    Knobel seufzte und versuchte, sich der Details des Gesprächs mit Frau Klingbeil im Wohnstift Augustinum zu erinnern.
    »Sie mochte ihn nicht«, sagte er.
    »Ja, ja, aber was sagte sie?«
    Knobel grübelte, aber es fielen ihm nicht die Worte ein, die Frau Klingbeil benutzt hatte.
    »Sie nannte Sebastian Pakulla ein Menschlein «, klärte Marie auf. »Was eigenartig ist«, fuhr sie fort, »denn alles, was wir von Sebastian wissen, passt nicht zu dem miesen Typ, als den ihn Frau Klingbeil beschrieben hat. Denk nur daran, wie der Galerist Sebastian beschrieben hat: Ein warmherziger Mensch, in seinem Charakter und in seinem Verhalten so ganz anders als das Schwein, das Frau Klingbeil erlebt hat.«
    »Ein Menschlein«, wiederholte Knobel.
    »Wie ich gerade sagte: Es passt nicht! Unser Fehler war, dass wir das Menschlein nur in dem Sinne verstanden haben, wie du es gerade wieder tust. Aber Menschlein kann auch ganz anders verstanden werden: als Beschreibung für einen Menschen mit einer kleinen Statur. Und das kann nicht Sebastian Pakulla sein. Nun, was sagst

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