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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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zahlen würde! Und ich würde mich hüten, ihn deshalb einen Verbrecher zu nennen. Ganz im Gegenteil!«
    »Wir hatten das Thema schon einmal«, stimmte Marie zu, »vielleicht ist es nicht der schlagende Beweis. Wenn du willst: nicht zwingend ein Punkt für mich. Aber ich habe ja noch ein Zweitens «, trumpfte sie auf. »Er hat dich nicht von dem Anruf des Galeristen informiert.«
    »Das heißt?«
    »Er hat dir Informationen vorenthalten, die weiterführen könnten. Du wirst zugeben, dass der Galerist viel über Sebastians Persönlichkeit zu erzählen wusste.«
    »Gregor Pakulla hat sich nie für seinen Bruder interessiert«, hielt Knobel dagegen. »Du kannst ihm nicht vorwerfen, dass er mir nicht davon berichtet hat, dass nach Aussage des Galeristen Sebastian ein äußerst sensibler Mensch ist.«
    »Und die Affinität zu Mallorca? Dein Mandant ist im Gegenteil darauf aus, von Mallorca abzulenken . Er verweist dich immer wieder auf die Toskana.«
    »Gregor Pakulla hat Mallorca auch nicht ausgeschlossen. Erinnere dich, Marie: Er hat mir einmal vorgeworfen, dass ich nur tröpfchenweise Informationen preisgebe.«
    »Aber du wirst mir zustimmen, dass Gregor Pakulla mit seinen Zeitungsartikeln zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hat: Er demonstriert nach außen größtes Interesse daran, dass sein Bruder gefunden wird. Und in Wirklichkeit selektiert er alle eingehenden Informationen. Nicht umsonst gibt er seine Telefonnummer an und lenkt von eurer Kanzlei ab, die bislang erfolglos war. Er gibt nur das weiter, was gerade nicht zu seinem Bruder führt. Und da er die Information über Mallorca, die er von dem Galeristen erhalten hat, nicht weitergegeben hat, heißt das, dass wir uns genau auf dem richtigen Weg befinden. Auf Mallorca liegt die Lösung, mein Herz!«, schloss sie.

23
    Über die Worte mein Herz dachte er während des Flugs noch einige Male nach. Stephan und Marie waren im Umgang und damit auch im Reden miteinander vertrauter geworden. Manchmal verstanden sie sich ohne Worte, oft reichten nur angedeutete Gesten. Seit der Trennung von Lisa hatten sie ihre Nische verlassen. Sie traten in den Alltag. Dennoch beschlich Knobel die Furcht, dass der Alltag eines Tages den Zauber nehmen könnte, der sich gerade daraus speiste, dass sie ihre Beziehung aus dem Verborgenen ins Licht gezerrt und der Reiz ihrer zumeist dienstäglichen Begegnungen verfliegen könnte. Knobel fühlte sich in einem seltsamen Spannungsfeld, das einerseits davon bestimmt war, dass sie immer enger beieinander waren, aus ihrer Beziehung mehr wurde und andererseits die Alltäglichkeit das Besondere zwischen ihnen vertrieb. Knobel erinnerte sich an seine frühere Zeit mit Lisa, als er von ihr verzaubert war und sich zu ihr um so mehr hingezogen fühlte, als seine Verliebtheit wieder verflogen war und er in der Nüchternheit des einkehrenden Alltags eine Liebe suchte, die sich zwischen ihnen nie entfaltet hatte. Er erinnerte sich, dass die Zeit von Worten bestimmt war, die die fehlende Liebe hörbar machten, dem erkaltenden Herz eine süße Melodie entgegensetzen sollten. Diese Zeit war geprägt von Worten wie Liebes , mein Herz , mein Gold und anderes mehr. Damals erschien ihm diese Entwicklung normal. Die große verbrennende Liebe wirkte wie ein Konstrukt von Schriftstellern und Filmregisseuren, die er weder bei sich noch bei den Menschen erkennen konnte, die ihn umgaben. Das Nüchterne schien normal, die Kühle verlässlicher und beständiger als eine verzehrende Liebe. Knobel registrierte Lisas damalige Worte mit Zufriedenheit. Die Zufriedenheit verhieß ein Ziel, an dem er sich angekommen fühlte. Jetzt wusste er, dass er und Lisa nicht zusammen angekommen waren. Sie hatten sich auf dem Weg verloren, und jeder war an einem anderen Ort angelangt. Jeder hatte längst andere Lebensadressen, bevor man sich räumlich trennte. Knobel konnte den Zeitpunkt, als er nicht mehr zu Lisa fand, recht gut fixieren. Aber diesem Befund war ein Voneinanderirren vorausgegangen, und er vermutete dieses Abhandenkommen in einem Brei betriebsamer Alltäglichkeit, in dem Worte wie Liebes , mein Herz und mein Gold intuitiv häufiger benutzt werden, um die Risse zuzukleistern, derer man sich noch nicht bewusst geworden ist. Deshalb streichelten ihn Maries Worte nicht, sondern sie ängstigten ihn.
     
    Sie landeten gegen halb elf auf Mallorca. Regen. Knobel folgte Marie im Flughafengebäude über Laufbänder und endlos scheinende Flure bis zur Gepäckausgabe, wartete

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