Todeserklärung
habe, um mitzuteilen, dass Sebastian noch am Leben sei. Er, der Galerist, habe ja aus dem Zeitungsartikel gewusst, dass Sebastian gesucht werde. Und dass er diese Information an die Polizei gegeben habe. Weil er von der Vermisstenanzeige wisse. Und wir werden den Galeristen bitten, in das Gespräch einfließen zu lassen, dass Sebastian Verbindungen nach Sa Pobla hat. Er soll beiläufig auch Kirsten Praetorius erwähnen und auch ihre Adresse. Der Galerist muss es nur gut rüberbringen.«
»Was soll das bringen?«, fragte Knobel, und sein Tonfall klang gereizt.
»Wenn Gregor seinen Bruder umgebracht hat und das ›Todeserklärungsverfahren‹ scheitert, weil immer neue Lebenszeichen Sebastians auftauchen, muss er Sebastians Leiche preisgeben. Er muss seine Strategie ändern: Er darf Sebastians Tod rechtlich nicht mehr über das Verschollenheitsgesetz herbeiführen. Er muss den rechtlichen Tod durch den tatsächlichen Tod Sebastians auslösen. Er wird die Leiche offenbaren.«
Knobel war zu erschöpft, um Maries Idee zu diskutieren. Er, dem alle bescheinigten, keine Struktur zu haben, war sich plötzlich sicher, tatsächlich keine zu haben. Was machte er? Er arbeitete gegen seinen Mandanten an, einen Menschen, den er nie mochte, der ihn jedoch fürstlich entlohnte und alle Informationen lieferte, die er haben wollte. Knobel hatte Frau und Kind verlassen, dem bulligen grobschlächtigen Löffke mit den albernen künstlichen Posteingängen eine Vorlage geliefert, und er hatte ein Verhältnis mit einer Studentin, die zu entkleiden ihm höchstes Vergnügen bereitete und dieses Ritual er am liebsten dienstags vollzog, an dem er sich, ebenfalls einem Ritual folgend, ganz bewusst von seiner alltäglichen Welt ab-und Marie zugewandt hatte.
»Was hast du?«, fragte Marie.
»Ich sehe keinen Sinn!«, antwortete er müde. »Gregor Pakulla hat nicht wirklich Druck, seinen Bruder Sebastian auszugraben, wenn er ihn tatsächlich umgebracht hat. Die Behauptungen des Galeristen werden sich als Blödsinn erweisen, nicht aber die Darstellung von Gregor Pakulla. Mein Mandant muss doch einfach an der Verschollenheitsversion festhalten und die Leiche in ihrem Loch lassen. Wenn Sebastian von keinem anderen gefunden wird, ist er verschollen. Und die vermeintlichen Lebenszeichen werden sich als Lüge enttarnen und Gregor Pakulla eher helfen. Was ist, wenn du dich irrst? Wenn Gregor Pakulla zur Polizei rennt und ihr mitteilt, was der Galerist ihm erzählt hat? Und der Galerist müsste bescheuert sein, wenn er diesen Unsinn mitmacht. Aber tue es, Marie, bitte in Gottes Namen den Galeristen, das zu tun, was du von ihm wünschst.«
»Gregor Pakulla wird nicht zur Polizei gehen«, beruhigte Marie. »Er hat gewissenhaft die Spur nach Mallorca zu verwischen versucht. Er wird deshalb auch nicht der Polizei unseren Besuch bei ihm und Frau Praetorius in Sa Pobla melden. Er wird Mallorca gegenüber der Polizei von sich aus überhaupt nicht erwähnen.«
Marie sah ihn traurig an.
»Du hast keine Lust mehr! Was ist los?«
»Ich habe keine Struktur«, erklärte Knobel leise.
27
Drei Wochen später erschien Kirsten Praetorius unangemeldet in der Kanzlei. Knobel hörte ihre erregte Stimme durch die geschlossene Tür, als sie Frau Klabunde in nervöser Hektik von der Dringlichkeit ihres Besuchs zu überzeugen versuchte. Knobel stand auf und öffnete die Tür zu seinem Sekretariat. Kirsten Praetorius stand in hellem Frühlingsmantel vor ihm, der rundliche Bauch wölbte den Mantel etwas nach außen, Kirstens schwarze Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden. Ihr Gesicht war makellos gepflegt und dezent geschminkt, wie bei Knobels Besuch in ihrer Wohnung in Sa Pobla.
»Es ist schon gut, Frau Klabunde. Frau Praetorius kommt vermutlich im Fall Sebastian Pakulla. Und, wie ich denke, direkt aus Spanien, oder?«
Kirsten Praetorius nickte.
»Dann komm rein!«, und bat sie mit einer Handbewegung in sein Büro.
Frau Klabunde warf ihm einen gereizten Blick hinterher, wie stets, wenn Knobel mit einem Federstrich ihre Bemühungen zunichte machte, einen unerwarteten Mandanten abzuwimmeln, was sie nur seinetwegen tat und damit seinem Wunsch entsprach.
Knobel hatte sich noch nicht nach dem Befinden von Kirsten Praetorius erkundigt, und sie hatte noch nicht vor seinem Schreibtisch Platz genommen, als sie bereits zur Sache kam.
»Gregor braucht einen Strafverteidiger. In Spanien.«
Knobel zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
»Unsere Kanzlei macht zwar auch
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