Todeserklärung
gute Rioja , den wir letztens bei uns getrunken haben. Ich selbst war bald angetrunken und deshalb so leichtsinnig, dass ich Gregor vertraulich am Knie fasste. Der hatte das natürlich gern und fasste mir zwischen die Oberschenkel. Gregor ist ja nicht dezent. Er ist ein Nehmer! Sebastian hat das natürlich mitbekommen, und dann entwickelte sich ein Streit zwischen den Brüdern, der so furchtbar war, dass ich ihn nicht im Einzelnen schildern möchte. Beide alkoholisiert, beide in jahrzehntelangem Hass aufeinander, beide um mich buhlend. Sebastian, der verletzte Romantiker und Gregor, der vermeintliche Sieger, der mit mir geschlafen hatte und natürlich nicht verschweigen wollte, wie er es mit mir gemacht hatte. Sie wissen ja, dass er immer mehr erzählen muss, als er eigentlich sollte …
Ja, und dann war natürlich ein Punkt erreicht, an dem die Situation eskalierte. Ich erinnere mich noch, dass Gregor seinen Bruder anschrie: Ja, so ist das Leben, Basti, jetzt ist die Entscheidung gefallen, Basti! Basta, Basti! Sebastian starrte ihn mit glühenden Augen an.
Basti bist du, Basti wie Bastard, ein Kuckucksei in unserer Familie, ein kleiner Wurm, du Schmarotzer! So ging es weiter, Sebastian und Gregor begannen sich zu behakeln, zu stoßen, plötzlich rauften sie in meinem Wohnzimmer, schlugen sich und traten sich in die Genitalien. Oh Gott, Stephan, es war furchtbar, glaube mir das! Und irgendwann, ich weiß nicht genau, wie es dazu kam, ergriff Gregor den schweren Messingkerzenständer auf meinem Sekretär im Wohnzimmer und schlug ihn Sebastian an die Schläfe. Er sackte zusammen, trat sogar noch auf ihn ein und forderte ihn auf, wieder aufzustehen. Aber Sebastian blieb liegen. Tot. Es war so schrecklich!«
»Und die Leiche?«, wollte Knobel wissen.
»Ich war so dumm, Gregor zu raten, die Leiche außerhalb vonSa Pobla in einem Neubaugebiet in einer gerade angelegten Gartenanlage zu verscharren. Ich sagte zu ihm: »Stell dir vor, wenn die Geschichte rauskommt! Denk auch an Esthers Erbe und ihre Auflage, dass du nur in den Genuss des Geldes kommst, wenn du mit deinem Bruder Frieden schließt!«
»An all diese Dinge dachtest du in diesem Moment?«, wollte Knobel erstaunt wissen.
»Ja, auch! Weil Tante Esthers Erbe doch immer bei unseren Gesprächen im Mittelpunkt stand und dem armen Sebastian jetzt ohnehin nicht mehr zu helfen war. Ich weiß, ich habe alles falsch gemacht!«
Kirsten Praetorius seufzte.
»Ich kenne zwar nicht das spanische Strafrecht«, erwiderte Knobel, »aber es wird in der Begehungsform einer Tat und ihrer Rechtswidrigkeit nicht anders sein als das deutsche.«
»Das heißt?«
»Man wird nicht nachweisen können, dass Gregor Sebastian vorsätzlich erschlagen hat. Es war eine fahrlässige Tötung, aus dem Streit heraus begangen, vielleicht auch eine Körperverletzung mit Todesfolge. Vielleicht war der Schlag auch nur ein Notwehrakt. Wie auch immer: Es gibt, jedenfalls aus Sicht des deutschen Strafrechts, eine Anzahl möglicher Strategien, die im Strafverfahren erfolgreich sein könnten! Und ich denke, das wird in Spanien nicht anders sein. Ich werde mich um einen versierten spanischen Kollegen kümmern«, versprach er.
»Es war eine vorsätzliche Tötung, Stephan!«, hielt Kirsten Praetorius entgegen. »Ich habe es gesehen! Keine Fahrlässigkeit! Keine Notwehr!«
»Aber das muss ja niemand wissen«, widersprach Knobel. »Es geht um deinen Freund, den Vater deines Kindes.«
»Ich habe schon alles so bei der Polizei ausgesagt«, sagte Kirsten Praetorius leise.
»Bist Du wahnsinnig?«, brauste Knobel auf. »Nicht nur, dass du, aus meiner Sicht völlig unnötig, Gregor bei der Polizei angezeigt und ein Tötungsdelikt zu Protokoll gegeben hast, das, wie ich schätze, mangels Leiche wahrscheinlich nie hätte nachgewiesen werden können! Nein, du erzählst auch noch seelenruhig bei der Polizei einen Tathergang, der meinen Mandanten der vorsätzlichen Tötung seines Bruders überführt. Du musst wahnsinnig sein, Kirsten!«
Knobel war erregt von seinem Schreibtischsessel aufgesprungen und ging ruhelos in seinem Büro auf und ab.
»Weißt du, was das heißt?«, bellte er. »Weißt du, was Gregor erwartet, wenn er wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt wird? Das ist in Deutschland ein Verbrechen und in Spanien sicher nichts anderes! Und gleichzeitig redest du von der Zukunft, die du sichern möchtest. Kirsten, ich verstehe das absolut nicht!«
Knobel rannte weiter durch sein Büro, von rechts nach
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